Das Gesicht der Korruption

18. Februar 2012

Der Lobbyist Peter Hochegger steht im Zentrum der österreichischen Schmiergeldskandale. Jetzt hat er vor dem Parlament sein Netzwerk offengelegt.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Dafür, dass Peter Hochegger im Zentrum des grössten Korruptionsskandals in der jüngeren Geschichte Österreichs steht, wirkt er erstaunlich unaufgeregt. Geduldig sitzt er vier Stunden vor dem Untersuchungsausschuss des Wiener Parlaments und beantwortet die Fragen der Abgeordneten: Welche Politiker hat er für sich arbeiten lassen? Wie wurde er bezahlt? Wo floss das Geld hin? In den vier Stunden seiner Zeugenaussage entsteht ein düsteres Bild der politischen Kultur in Österreich, in der so ziemlich alle Parteien (mit Ausnahme der Grünen) käuflich waren.

Wer in der Zeit der schwarz-blauen Koalition (aber auch danach) guten Kontakt zu Hochegger hatte, konnte in Österreich vieles zu seinen Gunsten regeln. Grosse Unternehmen wurden bei Privatisierungen bevorzugt, obwohl sie gar nicht das beste Angebot eingereicht hatten,oder sie konnten sich Gesetze bestellen. Im Gegenzug flossen Millionen in die Taschen der damaligen Entscheidungsträger und vermutlich auch in die Parteikassen.

Enger Kontakt zu Heinz Grasser

Hocheggers PR-Firmen dienten als finanzielle Drehschreibe. In seiner Zeugenaussage sagte der Firmenchef, dass 28 Politiker für ihn gearbeitet hätten. Unter ihnen ehemalige Minister von ÖVP und FPÖ (oder Jörg Haiders Abspaltung BZÖ), aber auch der frühere SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer. Hochegger bezeichnete die ehemaligen Politiker als «Feuerlöscher»: «Wenn man sie braucht, setzt man sie ein.» Gusenbauer dementiert allerdings und will Hochegger verklagen.

Engen Kontakt hatte Hochegger auch zum ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Als Grasser 2004 die staatliche Immobiliengesellschaft Buwog privatisierte, bekamen Hochegger und der FPÖ-Politiker Walter Meischberger (vormals die rechte Hand von Jörg Haider) vom Gewinner der Ausschreibung fast 10 Millionen Euro. Sie werden verdächtigt, zuvor Insider-Informationen aus Grassers Büro weitergegeben zu haben. Die Millionen landeten auf Konten in Zypern und Liechtenstein. In den Jahren danach zahlte Grasser immer wieder Geld auf seine Konten ein, dessen Herkunft er nicht erklären kann.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Hochegger wegen des Verdachts der Bestechung. Gleichzeitig versucht jetzt der parlamentarische Untersuchungsausschuss, das Netzwerk der Korruption zu entflechten und die politisch Verantwortlichen beim Namen zu nennen. «Hochegger war kein Ideologe, sondern ein Opportunist», beschreibt der «Standard» den Lobbyisten, «er hat zusammengeführt, was sich gesucht hat: Geld und Politik, Macht und Einfluss.» Dabei kannte Hochegger weder bei der Bezahlung seiner politischen Feuerlöscher noch beim Kassieren Skrupel. Der ehemalige Innenminister Ernst Strasser erhielt von ihm innert zweier Jahre 100 000 Euro. Strasser war damals kein Minister mehr, aber weiterhin ein wichtiger Mann in der konservativen Regierungspartei ÖVP. Später bot er im EU-Parlament Gesetzesanträge gegen Bezahlung an. Als dies aufflog, musste er zurücktreten. Auf der anderen Seite wurden Hocheggers Kunden gnadenlos gemolken. Die staatlichen Bundesbahnen bezahlten für seine PR-Beratung 7,5 Millionen Euro, zum Teil für Leistungen, die gar keine waren. Als etwa die ÖBB einen Namen für ihren neuen Superzug suchten, kam ein Bahnmitarbeiter mit dem Vorschlag «Railjet». Hochegger liess den Namen schnell schützen und kassierte von den Bundesbahnen 180 000 Euro.Hauptfinancier des Systems Hochegger war die halbstaatliche Telekom Austria. Sie zahlte im Laufe mehrerer Jahre 25 Millionen Euro an Hocheggers PR-Firmen. Bei der Suche nach den Leistungen für die beachtliche Summe stiessen die Ermittler auf fingierte Rechnungen und Pseudo-Gutachten. Wieder liegt der Verdacht nahe, dass Hocheggers Agentur als Waschmaschine diente und die Gelder weiter an Politiker und Parteien flossen.

Ein Fall wurde im Parlament bereits untersucht: Der 2006 zurückgetretene Verkehrsminister Hubert Gorbach (erst bei der FPÖ, dann bei deren Abspaltung BZÖ) unterzeichnete in seinen letzten Tagen im Amt noch schnell eine von der Telekom gewünschte «Universaldienst-Verordnung», die den Staatsbetrieb bevorzugte und private Anbieter benachteiligte. Kurz danach wurde Gorbach von Hochegger engagiert. Gorbachs Sekretärin erhielt von einer Hochegger-Firma über 200 000 Euro, das Geld soll von der Telekom gekommen und an Gorbach weitergeflossen sein. Gegen den Ex-Minister und seine Sekretärin wird ermittelt.Aber auch für die konservative Regierungspartei war die Telekom Austria offenbar ein Selbstbedienungsladen. So tauchten jetzt Mails auf, in denen Telekom-Manager grosszügige Spenden für die ÖVP und für Familienmitglieder hochrangiger Regierungsmitglieder diskutieren. So wird etwa um Geld für eine Theateraufführung der Tochter des damaligen Kanzlers Wolfgang Schüssel gebeten.

Hochegger fühlt sich unschuldig

Hochegger sagte am Freitag in einem Interview mit dem österreichischen Fernsehen, dass er sich im strafrechtlichen Sinn für unschuldig halte. Nach «moralischen Massstäben» habe er aber «einige Dinge nicht richtig gemacht». Er habe nur Argumente an die Entscheidungsträger herangeführt. Wenn die Politik das nicht mehr wolle, «muss sie sich selbst bei der Nase nehmen».