Der Graf und der Gripen

22. Dezember 2012

Ein Prozess in Wien gibt Einblick in die Schmiergeld-Netzwerke internationaler Rüstungskonzerne. 

Alfons Mensdorff-Pouilly ist eine mächtige Erscheinung. Zwei Meter gross, nicht schlank, mit kräftiger Stimme. Doch im grossen Schwurgerichtssaal in Wien macht sich «Graf Ali» so klein wie möglich. Er sei naiv gewesen, vielleicht auch dumm, erklärt er dem Richter: Er habe nie so genau Bescheid wissen wollen. Die Ahnungslosigkeit überrascht bei einem Mann, unter dessen Namen Briefkastenfirmen in der Schweiz gegründet wurden, über die viele Millionen Euro flossen. Wohin? Das versuchen Staatsanwälte in mehreren europäischen Ländern herauszufinden. Mensdorff muss sich wegen Geldwäscherei und Bestechung politischer Entscheidungsträger verantworten. Ebenfalls angeklagt ist sein in Zürich lebender Mitarbeiter, der die Geldgeschäfte abwickelte.

Schweizer Briefkastenfirmen

Das Wiener Verfahren ist für die Schweiz interessant, weil Zeugenaussagen und beschlagnahmte Dokumente klar zeigen, welche Methoden Rüstungskonzerne anwenden, um Abfangjäger zu verkaufen. Und wie viel Schmiergeld dabei im Spiel ist.

Es geht um den Gripen, also jenen Kampfjet, für den sich auch der Schweizer Bundesrat entschieden hat. Mitte der 90er-Jahre sollte dieses Flugzeug nach Ungarn, Tschechien und Polen verkauft werden. Daran hatte neben dem schwedischen Produzenten Saab auch der britische Rüstungskonzern BAE Systems grosses Interesse, der damals an Saab beteiligt war.

Um sich gegen Konkurrenz aus den USA, Frankreich und Deutschland durchzusetzen, engagierte BAE offene und verdeckte Berater, die das Terrain mit «aggressiven Zahlungen» ebneten und dazu ein Netzwerk an Scheinfirmen aufbauten. So musste sich der Konzern selbst nicht die Hände schmutzig machen. Er verbuchte Bestechungsgeld als «Third party payments», und dieses wurde dann verschoben: Von Red Diamond zu Valurex, von Prefinor zu Brodman, Firmen, die in Genf oder Zug registriert waren. Sie hatten keine Mitarbeiter und keine Geschäftstätigkeit, aber auf ihren Konten lagen zeitweise zweistellige Millionenbeträge.

Mensdorff war Teil eines Netzwerks des «weissen Sultans» Timothy Landon, der vor seinem Tod 2007 zu den reichsten Briten zählte. Vor Gericht sagt der Graf aus, dass Landon «ununterbrochen neue Firmenkonstruktionen geschaffen hat. Mindestens zwanzig.» Mensdorff behauptet, er habe von Bestechung abgeraten. Er kann aber nicht leugnen, dass ein Mitarbeiter vom Konto seiner Schweizer Briefkastenfirma mehr als vier Millionen Euro in bar abgehoben hat. Die Couverts mit dem Geld gingen in die Golfregion oder in die Karibik: in Länder, die in Sachen Korruptionsbekämpfung nicht gerade kooperativ sind. Das macht es den Ermittlern schwer, die wahren Begünstigten der Bestechung zu finden.

100 Millionen für einen Deal

Mensdorffs Firma dürfte nur eine von vielen gewesen sein, derer sich Saab und BAE bedienten. Beim Verkauf der Gripen nach Tschechien sollen 28 Millionen Franken Schmiergeld geflossen sein. Die Investitionen zahlten sich aus: Auch die Ungarn entschieden sich für den Gripen, nur Polen wählte ein US-Produkt. In einem Interview deutete Mensdorff an, dass die Amerikaner offenbar besser geschmiert hätten.

Die Gewinne der Rüstungskonzerne werden durch die Bestechungen nicht geschmälert. Die Kosten sind ja als «Provisionen» oder «Beraterhonorare» im Kaufpreis des Kriegsgeräts enthalten. Auch als Gegengeschäfte lassen sich die Schmiergeldzahlungen tarnen: Nachdem Österreich sich für Jets der EADS-Tochter Eurofighter entschieden hatte, überwies die EADS 100 Millionen Euro an Briefkastenfirmen und verbuchte das als Leistung im Rahmen der vereinbarten Gegengeschäfte. Wo das Geld landete, ist unklar. Die Spuren führen zu Schweizer Briefkastenfirmen – und zu Mensdorff-Pouilly.

Ein Waffengeschäft ohne Schmiergeldzahlungen sei undenkbar, so der südafrikanische Rüstungsexperte Andrew Feinstein, der jahrelang für ein Buch über den globalen Waffenhandel recherchierte. Für ihn sind BAE und Saab die «korruptesten Konzerne in einer korrupten Branche.»

Der Prozess gegen den Grafen wird bis Mitte Januar dauern. Er betrifft ein Netzwerk, das vor fünf bis zehn Jahren aktiv war. Die Karawane der Rüstungsindustrie ist längst weitergezogen. Sie hat andere Berater in ihrem Sold, mit neuen Tarnfirmen. In Zug oder in Genf. Vielleicht dienen sie Kickback-Zahlungen beim Kauf der Gripen durch die Schweiz. Aber das ist nur eine Vermutung. Vielleicht wickelt die Schweiz ja das erste saubere Geschäft in der Geschichte des Waffenhandels ab. Ganz ohne Briefkastenfirmen, ganz ohne «Third party payments». Möglich wäre das. Wahrscheinlich ist es nicht.