Die letzte Bastion wankt

10. April 2013

Österreich will nach einigem Hin und Her nun doch nicht um jeden Preis am Bankgeheimnis festhalten. Gemeinsam mit Luxemburg will das Land in der EU den automatischen Informationsaustausch verhandeln.

Eine politische Vorreiterrolle wollte Österreich in der Europäischen Union nie spielen. Lieber wartet man ab, was in Berlin oder Paris entschieden wird und wie sich der Wind in Brüssel dreht. So ganz allein stehen, gegen die 26 anderen Mitgliedsstaaten: Das gefällt den Österreichern am wenigsten. In Wien läuteten deshalb alle Alarmglocken, als am vergangenen Wochenende die Luxemburger Regierung ihren Widerstand gegen den automatischen Informationsaustausch bei Kontodaten aufgab. Der letzte Bündnispartner in der EU bei der Verteidigung des Bankgeheimnisses war umgefallen.

Gestern verkündete Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann den Kurswechsel: Das Bankgeheimnis ist nicht mehr tabu. Gemeinsam mit Luxemburg wollen die Österreicher mit der EU über den automatischen Informationsaustausch verhandeln. Der sozialdemokratische Regierungschef stellt sich damit in der Grossen Koalition gegen seine bürgerliche Finanzministerin. Maria Fekter von der ÖVP hatte am Wochenende noch bekräftigt, dass sie «wie eine Löwin» für das Bankgeheimnis kämpfen und in der EU alle Abstimmungen boykottieren werde, die dieses Geheimnis gefährden könnten.

«Druck wird immer grösser»

Selbst in der ÖVP, die sich traditionell als Schutzpatronin der Bankenwelt versteht, setzt sich langsam, aber sicher die Erkenntnis durch, dass das Bankgeheimnis nicht zu halten ist. Als Erster sprach das gestern der von den Bürgerlichen entsandte EU-Kommissar Johannes Hahn offen aus. Auch der konservative Vizekanzler Michael Spindelegger schliesst Verhandlungen über das Bankgeheimnis nicht mehr kategorisch aus. Ausgerechnet ein ehemaliger Verbündeter in Sachen Bankgeheimnis stärkt den Skeptikern jetzt den Rücken: Bei seinem Staatsbesuch in Wien erklärte gestern Liechtensteins Fürst Hans-Adam II., dass sich der Datenaustausch früher oder später europaweit durchsetzen werde: «Der Druck wird immer grösser.»

In Österreich wird im September gewählt, beide Grossparteien wollen aber offenbar das Thema Bankgeheimnis aus dem Wahlkampf heraushalten. Die SPÖ fürchtet eine Schmutzkübelkampagne der ÖVP wie vor 30 Jahren, als die Konservativen mit ihrer Panikmache vor einer «Sparbuchsteuer» die sozialistische Alleinregierung stürzten. Die Bürgerlichen verstehen aber andererseits, dass sie als Verteidiger von Banken und Superreichen heute keine gute Figur mehr machen. Die sozialdemokratische Parlamentspräsidentin Barbara Prammer warnte vor einem «schweren Schaden für das Ansehen Österreich», sollte das Land den Ruf als Steueroase in der EU nicht ablegen können.

Österreichs Bankgeheimnis ist seit den 70er-Jahren in der Verfassung verankert und kann im Parlament nur mit Zweidrittelmehrheit geändert oder abgeschafft werden. Dazu bräuchte die Grosse Koalition die Unterstützung einer Oppositionspartei. Das vom verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider gegründete Bündnis Zukunft Österreich und das Team des Milliardärs Frank Stronach sind aber gegen die Abschaffung. Stronach versteuert sein Vermögen in der Schweiz und profitiert vom Schweizer Bankgeheimnis. Die Grünen fordern zwar seit langem das Ende des Bankgeheimnisses, würden sich aber ihre Zustimmung teuer abkaufen lassen.

Löchriger Datenschutz

In den nächsten Wochen wird die Grosse Koalition deshalb eher nach einer Lösung suchen, wie die EU zufriedengestellt werden könnte, ohne dass dafür die Verfassung verändert werden müsste. Etwa indem der automatische Informationsaustausch nur für ausländische Konten in Österreich gelten könnte. Zudem könnten sich Sozialdemokraten und Bürgerliche auf den Ausdruck «Lockerung» statt «Abschaffung» des Bankgeheimnisses einigen. Hauptsache sei, dass für die Österreicher der Schutz ihrer Bankdaten aber ein Grundrecht bleibe, sagt Vizekanzler Michael Spindelegger.

Dieser Schutz ist ohnehin schon jetzt nur Schimäre. Österreichs Finanzbeamte können ziemlich einfach auf Bankdaten zugreifen, wenn sie den Verdacht von Steuervergehen hat. Wer selbstständig ist, muss seine Konten ohnehin von sich aus der Steuerbehörde offenlegen. Und die beliebten anonymen Sparbücher wurden auf Druck der OECD bereits vor einigen Jahren abgeschafft.