Die Säulen des österreichischen Beamtenstaats wanken

15. Februar 2013

Österreich ist das globale Schlusslicht beim Recht der Bürger auf Akteneinsicht. Eine Bürgerinitiative will das jetzt ändern.

Neulich in Kärnten: Landeshauptmann Gerhard Dörfler wird beschuldigt, die Kampagne für die Abstimmung über das Bundesheer für eigene Zwecke missbraucht zu haben. Er wird dazu von zwei Journalistinnen befragt und faucht zurück: «Was interessiert Sie das? Sind Sie vielleicht Staatsanwältinnen?» Antwort auf die Frage gibt er nicht.

Ähnlich erging es dem Wiener Journalisten Josef Barth vor einiger Zeit im Wiener Innenministerium, als er den Akt über Vergabe eines Grossauftrags sehen wollte. Die Rechtsabteilung wollte sofort wissen, mit welchem Recht er danach frage. Barths Antwort, er sei Bürger, der Einsicht in die Geschäfte der öffentlichen Hand haben wolle, verärgerte die Beamten. Akteneinsicht für einen Bürger? Das sei noch nie vorgekommen. Ende der Debatte.

Barth will sich mit dem Rauswurf nicht abfinden. Gemeinsam mit anderen investigativen Journalisten gründete er die Plattform Transparenzgesetz, die das Recht auf Einsicht in Akten der Verwaltung von Bund, Bundesländern und Gemeinden sowie eine Veröffentlichungspflicht der Behörden fordert. Anfang der Woche ging die Initiative an die Öffentlichkeit, innert weniger Tage konnte sie fast 6000 Unterschriften für ihr Anliegen «Gläserner Staat statt gläserner Bürger» sammeln.

Noch immer wie bei Joseph II.

Für Österreich wäre ein Transparenzgesetz eine Revolution und der Bruch mit der jahrhundertealten Tradition des Beamtenstaats. Noch immer herrscht in den Amtsstuben und Regierungssitzen die Stimmung des aufgeklärten Absolutismus von Kaiser Joseph II., der zwar für das Volk, aber auf keinen Fall mit dem Volk regieren wollte. Viel habe sich seither nicht geändert, schreibt eine Kolumnistin der bürgerlichen «Presse»: Aus Perspektive der Amtsträger sei der Bürger ein lästiger Querulant, anmassend, unverschämt, «einer, der beim Verwalten und Regieren stört».

Das drücken auch die Gesetze aus. Das «Amtsgeheimnis» ist so heilig, dass es in der Verfassung festgeschrieben ist. In einem eigenen Gesetz werden Beamte zwar auch zur Auskunft verpflichtet, aber nur, wenn das Amtsgeheimnis dadurch nicht verletzt wird. Der Interpretationsspielraum ist gross. Sanktionen bei Vergehen gibt es nicht. In der Verwaltung herrsche das Grundverständnis: «Die Akten gehören uns, der Untertan bekommt Einsicht höchstens in Ausnahmefällen», sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer im ORF. Unter den alten 15 EU-Staaten steht Österreich mit dieser Geheimniskrämerei alleine da. Das amerikanische Center for Right and Democracy studierte in den vergangenen Jahren jene Gesetze von 93 Ländern, die Bürgern den Zugang zu amtlichen Informationen ermöglichen. Österreich ist im Ranking Schlusslicht auf Platz 93 (die Schweiz liegt auf Platz 77).

Die Bürgerinitiative Transparenzgesetz fordert ein neues Gesetz zur Durchsetzung der Auskunftspflicht. Dazu gehöre auch die Pflicht der Behörden, Akten von sich aus zu veröffentlichen, sagt Josef Barth, «denn man weiss ja oft nicht, wonach man fragen soll». Vorbild soll dabei die Stadt Hamburg sein, wo nach dem Skandal um die Baukosten der Elbphilharmonie völlige Aktentransparenz eingeführt wird. Berlin und Nordrhein-Westfalen diskutieren ähnliche Regelungen.

Abwarten und dann nichts tun

Die jüngsten Korruptionsfälle setzen auch die Politik unter Druck. Die strikte Verschwiegenheit von Behörden machte nicht nur die Schmiergeldzahlungen bei öffentlichen Aufträgen möglich, sie behinderte auch in grossem Mass die politische Aufklärung in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Beide Regierungsparteien kündigen jetzt ein Informationsfreiheitsgesetz an. Und lassen eine Hintertür offen: Der konservative Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) legt einen Entwurf vor, der die Bundesländer nicht einbezieht und keine Sanktionen bei Missachtung vorsieht. Die sozialdemokratische Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ihrerseits hält Transparenz für «sicher nicht schlecht», will aber «offene Fragen noch genau prüfen». In Österreich steht diese Phrase für den festen Willen, erst einmal lange abzuwarten. Und dann nichts zu tun.