Ein strenges Gesetz mit Löchern

22. Juni 2012

Die Schweiz und Österreich gehören zu den letzten Ländern ohne Regeln. Doch nun bewegt sich die Wiener Politik.

Mühsam waren die Verhandlungen. Viel Widerstand musste überwunden werden. Sowohl von Geldgebern wie von den -nehmern. Diese Woche aber konnten die Parteien doch ein Ergebnis präsentieren: eine Durchleuchtung der Parteienfinanzierung, die sich «international sehen lassen» könne und «europaweit vorbildlich» sei. Haben sich die Schweizer Parteien also doch bewegt? Wollten sie nicht länger als schwarze Schafe in Europa gelten? Aber nein, in Bern will der Bundesrat weiter keine Transparenz bei Parteispenden.

Die Rede ist von Nachbar Österreich, bisher auch so ein dunkler Fleck auf der europäischen Transparenz-Landkarte. Verbindliche Regeln für die Parteien gab es so wenig wie ein Kontrollorgan. Politiker, die hohe Geld- oder Sachgeschenke annahmen, mussten keine Strafen fürchten. Österreich wurde deshalb (wie die Schweiz) mehrmals und scharf von der EU und der Antikorruptionsgruppe des Europarats (Greco) kritisiert.Kommende Woche aber werden im Wiener Parlament die rot-schwarze Regierungskoalition und die Grünen ein «Transparenzpaket» beschliessen. Das neue Gesetz verpflichtet Parteien zur Veröffentlichung aller Spenden ab 3500 Euro (4200 Franken) jährlich. Parteiensponsoring (etwa Firmenwerbung bei Parteiveranstaltungen) muss ab 12 000 Euro gemeldet werden. Jede Partei darf höchstens sieben Millionen Euro pro Wahlkampf ausgeben.

Verboten werden anonyme Spenden ab 1000 Euro, Bargeldspenden ab 2500 Euro und Spenden von Firmen mit einem Staatsanteil von mindestens 25 Prozent. Die Parteikassen werden von Wirtschaftsprüfern überwacht, bei Verstössen können Geldstrafen verhängt werden, auch gegen einzelne Parteifunktionäre. Am 1. Juli 2012 soll das Gesetz in Kraft treten.

Das Image aufpolieren

Das plötzliche Einlenken der Parteien geschah nicht freiwillig. Das Image der Politik ist in Österreich so niedrig und die Politikverdrossenheit so hoch, dass etwas getan werden musste. Das Erbe der schwarz-blauen Koalition von Wolfgang Schüssel lastet schwer auf dem Land. Viele Millionen Euro flossen von Konzernen auf die Konten regierungsnaher Lobbyisten. Der Verdacht liegt nahe, dass der Grossteil an die regierenden Parteien weitergegeben wurde. Doch die mussten das bisher nicht offenlegen. So werden die österreichischen Wähler nie erfahren, wer in den 90er-Jahren den Aufstieg Jörg Haiders finanzierte (die Gerüchte reichen bis zu Muammar al-Ghadhafi). Im Dunkeln bleiben auch die Spenden der Industriellenvereinigung an die ÖVP (bekannt ist nur, dass sie Finanzminister Karl-Heinz Grasser eine Website finanzierte), ebenso wie Geldflüsse aus der Stadt Wien zu Betrieben der Wiener Sozialdemokraten.

Wenigstens die Zukunft der Parteienfinanzierung soll aber hell und transparent sein. Oder doch nicht ganz? In ihrer Bauernschläue haben die Koalitionsparteien in ein scheinbar strenges Gesetz etliche Schlupflöcher eingebaut: Spenden an Bezirksparteien werden nicht angerechnet, durch geschickte Stückelung kann die 3500- Euro-Grenze umgangen werden. Das oberste Kontrollorgan der Republik, der Rechnungshof, darf die Parteikassen nicht überprüfen.

Österreichs Politiker können also den Weg zu Transparenz und neuer Moral in der Politik einschlagen. Sie können ihre Energie aber auch in Ideen investieren, wie das neue Gesetz am besten zu umgehen ist - ganz nach dem Motto des Möchtegernrevolutionärs Tancredi in Lampedusas «Gattopardo»: «Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann muss sich alles verändern.»