Ein tiefer Bückling kann nie schaden

28. September 2012

In Österreich möchte ein Habsburger die Adelstitel wieder einführen.

Ulrich Habsburg will wieder adelig sein. Und das im Namen zeigen. Der Nachkomme des letzten Kaisers und ehemaliger Grün-Politiker in Kärnten findet, dass Österreich seine Adeligen schlecht behandelt, weil es ihnen das Tragen des «von» oder «zu» im Namen ebenso verbietet wie die Anrede «Graf» oder «Fürst». Das Verbot stammt aus dem Jahr 1919: Niemals wieder wollte die junge Republik eine Herrschaft der Blaublütigen zulassen. Deshalb verbot sie auch die Kandidatur der Habsburger für die höchsten Ämter im Staat.

Dieses Verbot hat Habsburg erfolgreich bekämpft. Jetzt will er die Adelstitel wieder einführen: Der Adel müsse wieder Selbstbewusstsein zeigen, wieder sichtbarer auftreten. Beim einfachen Volk kann Habsburg auf Verständnis zählen. Wer würde sich nicht Berichte über verliebte Prinzessinnen und nackte Prinzen aus Österreich in den bunten Klatschblättern wünschen? Bei den Politikern wird der Mann, der sich dann wieder «Erzherzog» nennen dürfte, hingegen auf Granit beissen. Nicht, weil sich Bürgerliche und Sozialdemokraten als Hüter republikanischer Werte verstehen. Sie wollen vielmehr nicht auf ihre eigenen Titel verzichten.

Es ist eine neue Aristokratie, die Österreich regiert. Sie kann ihre proletarischen, bäuerlichen oder kleinbürgerlichen Vorfahren zwar höchstens drei Generationen zurück nachweisen. Aber sie ist um nichts weniger mächtig, als es die Habsburger und ihre Günstlinge je waren.

Da wären zuerst einmal die Landesfürsten. Neun Stück an der Zahl, jeder herrscht über ein Bundesland (eine Frau ist auch dabei). Ihre Herrschaft ist absolut, ihr Wort ist Gesetz. «Alles für das Volk, nichts durch das Volk» ist ihre Devise. Sie halten sich einen Stab von Jubelpersern (auch «Lokaljournalisten» genannt), die nicht müde werden, die Wohltaten des gütigen Herrschers zu preisen. Als ungeschriebenes Gesetz gilt: Keine Ausgabe einer Landeszeitung sollte weniger als fünf Fotos des Landeshauptmanns enthalten. Keine TV-Nachrichten sollten ohne fürstliche Wortspende ausgestrahlt werden.

Die Fürsten sind volksnah. Sie besuchen jeden Kirchtag, sie weihen jeden Kreisverkehr persönlich ein. Aber herzliches Schulterklopfen, Babyküssen und Zuprosten sollten von den Untertanen niemals als Verbrüderung gedeutet werden. Bei der Verabschiedung ist dem Landesfürsten niemals der Rücken zu zeigen. Ein tiefer Bückling kann niemals schaden. Zweifel oder Kritik sind absolut unerwünscht und können mit der Verweigerung von Baugenehmigungen bis zu zehn Jahren bestraft werden.

Nicht ganz so mächtig wie der Landesfürst ist der Bezirkskaiser. (In der neuen Aristokratie steht der Kaiser unter dem Fürsten.) Sein Reich beschränkt sich auf einen der 23 Wiener Bezirke. Sein Auftreten ist aber deshalb nicht weniger selbstbewusst. Der Bezirkskaiser fühlt sich als unumschränkter Herrscher in seinen Grenzen. Berühmt wurde der Kaiser von Wien-Favoriten mit dem Spruch: «L’arrondissement c’est moi.» Bevorzugte Umgangsform ist breiter Dialekt, bevorzugte Getränke sind Bier und weisse Gespritzte. Auch am Vormittag. Leider mangelt es dem Rang des Bezirkskaisers jedoch an Nachwuchs. Die Jungen können es weder mit Bauchumfang noch Alkoholkonsum ihrer Vorbilder aufnehmen. Man muss es leider so sagen: Die Bezirkskaiser sind vom Aussterben bedroht.

Schlecht steht es auch um den Spesenritter. Dieser Adelsrang ist, natürlich zu Unrecht, sehr in Verruf geraten. Heute möchte kaum noch jemand den Titel führen, man bevorzugt, schlimm genug, die bürgerliche Anrede «Berater».

Möchte Ulrich Habsburg also wirklich wieder einen Adelstitel führen, stünde ihm eine ganze Reihe politischer Karrieren offen. Habsburg ist zwar schon 70, aber das Alter soll kein Hindernis sein. Der 80-jährige Milliardär Frank Stronach hat gerade eine Partei gegründet und seine Kandidatur erklärt: Er möchte König von Österreich werden.