Eine Firma im Umfeld von Orbans Freunden

3. November 2014

Ungarische Oligarchen wollen im internationalen Rohstoffhandel mitmischen. Dazu dient ihnen ein Firmennetzwerk mit Sitz in Zug.

 Sein Unternehmen bezeichnet Benjamin Lakatos als «europäische Erfolgs­geschichte»: Eine Rohstoffhandelsfirma, die erst wenige Jahre alt ist, aber schon im Kreis der ganz Grossen mitmischt; die vor ein paar Jahren mit einem Investment von 200 000 Euro begann und ­dieses Jahr Einnahmen von über 3,8 Milliarden Euro erwartet; die Aussenstellen in Osteuropa und in London eröffnete, ihren Hauptsitz aber im Schweizer Zug hat. Und deren Chef Lakatos überzeugt ist, «dass wir in Mitteleuropa zum ‹game-changer› werden».

Das Spiel will der 38–jährige, im Kanton Schwyz lebende Ungar mit seiner Holding namens MET verändern. MET steht für MOL Energy Trading. MOL ist der grosse, teilstaatliche Öl- und Gaskonzern Ungarns. Die MET Holding wurde 2012 in Zug registriert und hat seither mehrere Tochterunternehmen bekommen, die an derselben Adresse in Zug residieren: MET Management, MET Power, MET Marketing, MET International. Lakatos ist bei allen Vorstands- oder Verwaltungsratsvorsitzender. Seit Frühjahr 2014 sitzt er auch in der neuen Zuger Investmentgesellschaft Erigo, deren Mutterunternehmen in Angola aktiv ist. Im Gespräch mit dem TA sagt Lakatos, dass er Ungarn immer als Heimat betrachten werde, «aber unsere Haupt­aktivitäten sind in der Schweiz»

Undurchsichtige Strukturen

In Ungarn wurde MET durch undurchsichtige Eigentümerstrukturen bekannt. Das Budapester Rechercheportal Alats­zo (ein ungarisches Wikileaks) verfolgte die Strukturen über Firmen auf Zypern und den Cayman-Inseln bis zu den wahren Eigentümern: ungarische Oligarchen mit besten Beziehungen zu Minister­präsident Viktor Orban.

MET wurde 2007 von Managern des Energiekonzerns MOL gegründet. MOL hält heute noch 40 Prozent der Holding in Zug. Weitere 50 Prozent gehören ­einer WISD Holding, die bis vor kurzem RP Explorer Funds hiess und in Zypern registriert ist. Sie gehört laut Atlatszo mehreren Offshoregesellschaften. ­Zypriotische Firmenregister bestätigen die Behauptung.

Das ist zum einen die Inather Trading. Sie gehört über eine weitere Firma dem ungarischen Unternehmer István Garancsi, der in der Finanz- und Sportbranche tätig ist. 2007 rettete Garancsi den Fussballverein FC Fehervar vor dem Bankrott. Das verschaffte ihm Zugang zum innersten Machtzirkel, denn Fehervar hat einen bekannten Fan: Viktor ­Orban. Die VIP-Tribüne des Vereins ist   Treffpunkt von Oligarchen und ­Re­gierungspolitikern. Garancsi besitzt a­uch eine eigene Sparkasse, die den ­Aufbau einer Fussballakademie in ­Orbans Geburtsort Felcsut mitfinan­zierte. Als die   Regierung im vergangenen Jahr die Verstaatlichung der ungarischen Spar­kassen beschloss, blieb nur Garancsis Unternehmen verschont.

Ein weiterer Mitbesitzer von MET ist György Nagy. Er war Mitbegründer eines Investmentkonzerns namens Wallis und besitzt die Firma Ho-Me 2000, über die er mit einem weiteren Protegé Orbans, dem Bankmanager Sandor Csanyi, verbunden ist. Im Juli 2014 berichteten ­ungarische Medien, dass Ho-Me 2000 ­gemeinsam mit Csanyi einen riesigen Schlachthof in Südungarn errichte. Weil   die Regierung die Produktion von Schweinefleisch bis zum Jahr 2020 verdoppeln will, erhalten Nagy und Csanyi 1,5 Milliarden Forint (5,8 Millionen Franken) staatliche Unterstützung. Ausserdem sollen sie zu den grössten Em­p­fängern von EU-Förderungen gehören. Csanyi ist auch Vizevorsitzender des ­Ölkonzerns MOL und Stammgast auf der   VIP-Tribüne des FC Fehervar.

Auch der Aufstieg von MET ist mit ­Orbans Politik verbunden. Nach seinem Wahlsieg 2010 hatte der neue Regierungschef den Wählern die Senkung der Energiekosten versprochen. Um die Preise zu drücken, durfte die staatliche Gasfirma MVM Gasreserven anzapfen und billiges Gas auf dem Weltmarkt kaufen. Das wurde jedoch nicht nur in die Speicher geleitet, sondern an MET Ungarn weiterverkauft. Das Unternehmen verkaufte es am ungarischen Markt ­teurer weiter. Wozu überhaupt ein Zwischenhändler notwendig sei, wurde von der Regierung nie beantwortet.

Der Vertrag zwischen MVM und MET Ungarn wurde den Medien zugespielt. Laut Atlatszo soll MET 50 Milliarden ­Forint (knapp 200 Millionen Franken) Profit gemacht haben. Kurz danach wurde die MET Holding in Zug gegründet. Warum der Umzug in die Schweiz? Benjamin Lakatos sagt, die günstige ­Besteuerung sei nur ein Grund von ­vielen gewesen. Weiter zählt er die ­einfache Buchführung und das Bankensystem auf: «Aber der grösste Vorteil ist   die Anerkennung als Schweizer Unternehmen durch unsere internationalen Partner. Wir sind heute Vollmitglied des   Energiehandel-Clubs.»

Weniger gesprächig ist Lakatos, wenn es um die Eigentümer seiner Holding geht. Die Besitzer der MET-Management-Gesellschaft und einer Zuger Firma namens Deneb Algedi, die wiederum Teileigentümerin der WISD Holding ist, möchte er nicht offenlegen. Ein Blick in das Handelsregister verschafft Klarheit: Lakatos selbst hat beide Firmen gegründet und besitzt sämtliche Anteile im Wert von zwei Millionen Franken. Die Suche nach Steuern optimierenden Möglichkeiten sei nichts ­Illegales, sagt Lakatos: Die Eigentümerstruktur beruhe auf «Entscheidungen der Aktionäre».

Lakatos sagt auch, dass sein Unternehmen mit der Politik nichts zu tun habe. Das scheint im heutigen Ungarn schwer möglich. Gerade die Kontrolle über die Energiewirtschaft ist Viktor ­Orban besonders wichtig. Ausländische Unternehmen wurden vom Markt gedrängt, ihre Anteile an ungarischen Energiekonzernen kaufte der Staat, neue Schulden wurden dafür in Kauf­­ ­genommen.

Anfällig für Korruption

Dass die Energiewirtschaft besonders anfällig für Korruption sei, bemerkte die US-Botschaft in Budapest 2010 in einem geheimen Bericht, der von Wikileaks veröffentlicht wurde: Eine mächtige Lobby verhindere die Öffnung des Marktes, die grossen Parteien liessen sich von den Konzernen finanzieren: die Sozialisten eher vom Gaskonzern MVM, Orbans Fidesz vom Ölkonzern MOL.

Nach wie vor herrsche in der unga­rischen Energiewirtschaft ein «Modus ­Vivendi», sagt der unabhängige Energie­experte Andras György Deak: «Es gibt ein Übereinkommen, wer welche Anteile bekommt.» Heute würden die ­wichtigsten Entscheidungen auf VIP-Tri­bünen während Fussballmatches ge­troffen, kritisiert Transparency Inter­national Ungarn in einem Bericht.

Regierungskritiker sehen den Aufstieg der Schweizer MET auch in Zusammenhang mit einer Machtverschiebung im Umfeld Orbans. Die alten Oligarchen verlieren an Einfluss, junge Manager werden protegiert. Orban will niemanden in seiner Umgebung zu mächtig werden lassen. Einige Unternehmer mit Baufirmen und Medienkonzernen (und mit Firmenverbindungen in   die Schweiz) sind seltener auf den VIP-Tribünen zu sehen. Andere hingegen häufiger. Die Eigentümer der MET Holding sind offenbar auf dem auf­steigenden Ast.