Eine Schlammschlacht um das Bundesheer

19. Januar 2013

In Österreich stimmt das Volk über eine Reform von Wehrpflicht und Zivildienst ab. Die Volksbefragung gilt als Testlauf für die Wahlen.

Es hat geschneit, und das Bundesheer ist in der Provinzstadt Baden zur Schneeräumung ausgerückt. Normalerweise wäre das keine Meldung wert, aber weil am Sonntag die Österreicher über die Frage Berufsheer oder Wehrpflicht abstimmen, wird jede banale Handlung der Soldaten zum Politikum. Und so erscheinen die Fotos der schaufelnden Soldaten schnell im Internet - als Beweis für die Notwendigkeit der Wehrpflicht. Geschaltet wird die Kampagne von einem Personenkomitee «Einsatz für Österreich». Die morgige Volksabstimmung ist die erste bundesweite in der Geschichte der Zweiten Republik, und sie betrifft eine Kernfrage der Sicherheitspolitik: Soll der Staat weiterhin junge Männer zu einem sechsmonatigen Wehrdienst oder einem achtmonatigen Zivildienst verpflichten? Oder soll das Bundesheer umgestellt werden auf eine Berufsarmee mit einer schlagkräftigen Miliz? Die Frage spaltet das Land und die regierende Grosse Koalition.

Der Kanzlerpartei SPÖ wurde vor zwei Jahren vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl ein Kurswechsel aufgezwungen, weil sich Häupl im damaligen Wahlkampf die Unterstützung der «Kronen Zeitung» sichern wollte. Weil das Boulevardblatt für ein Berufsheer kämpft, wünschte sich auch Häupl die Abschaffung der Wehrpflicht - und seine überraschte Partei musste mitziehen. Die Kehrtwende der Sozialdemokraten überraschte die bürgerliche ÖVP, deren Minister bis dahin mehr oder weniger klar für ein Berufsheer waren. Auf Drängen des mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll schwenkten die Schwarzen auf die Unterstützung des alten Systems mit Wehrpflicht und Zivildienst um. Die Volksbefragung war eine Idee Prölls, der sich davon eine Wählermobilisierung für die Landeswahlen am 3. März erhofft.

Spekulationen und Panikmache

Statt einer sachlichen Debatte wird in den letzten Tagen vor der Abstimmung ein Lagerwahlkampf geführt. Grün, Rot, das von Jörg Haider gegründete BZÖ und die neue Partei des Milliardärs Frank Stronach sind für ein Berufsheer, ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ für die Wehrpflicht. Die Argumente werden immer spekulativer und grenzen an Panikmache. Die Gegner der Wehrpflicht wollen wissen, dass ohne ein Berufsheer bald auch Frauen zum Militärdienst verpflichtet würden, weil es dem Heer an Jungmännern mangeln werde. Die Verteidiger des derzeitigen Systems warnen, dass sich ohne Grundwehrdiener Österreich keinen Katastrophenschutz mehr leisten könnte und ohne Zivildiener die Rettungsorganisationen ihren Betrieb einstellen müssten.

Tatsächlich sind heute das Rote Kreuz, die Caritas und andere Sozialorganisationen auf die Arbeit der Zivildiener angewiesen. Die Befürworter des Berufsheers wollen stattdessen ein freiwilliges Sozialjahr einführen, mit einer Bezahlung von knapp 2000 Franken pro Monat. Die Gegner glauben, dass dies nicht finanzierbar wäre. Kaum eine Rolle in der Debatte spielt vor allem ein Thema: die Landesverteidigung. Welche Aufgaben hat ein Heer im 21. Jahrhundert? Welche Rolle soll Österreich im Verteidigungsbündnis der EU spielen? Kann der Status der Neutralität aufrechterhalten werden? Solche Fragen wurden in den vergangenen Wochen selten gestellt und nie beantwortet.

Politologen und Journalisten werfen beiden Regierungsparteien vor, sie wollten lediglich einen Vorwahlkampf zu den Parlamentswahlen kommenden September führen. Das Thema Wehrpflicht diene ihnen nur zur Mobilisierung der eigenen Klientel. In mehreren Zeitungen erschienen Boykottaufrufe, auch das BZÖ will der morgigen Befragung fernbleiben.

Laut Umfragen könnte die Wahlbeteiligung unter 30 Prozent liegen. In der Abstimmung rechnen die Freunde der Wehrpflicht mit einem Sieg.