«Ich möchte mich unabhängig bewegen»

4. April 2014

Dunja Mijatovic, OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, beklagt die Behinderung der Presse auf der Krim. Mit der Mission des Schweizer Sondergesandten Tim Guldimann habe ihre Arbeit nicht direkt zu tun.

Mit Dunja Mijatovic sprach Bernhard Odehnal in Wien

 

Dunja Mijatovic: Die OSZE-Diplomatin stammt aus Sarajevo, seit 2010 arbeitet sie in der Wiener Zentrale der OSZE als Beauftragte für Medienfreiheit. Foto: OSZE

Haben die Menschen auf der Krim Zugang zu unabhängigen Medien?

Sicher nicht in der Breite und Verschiedenheit, wie es wünschenswert wäre. Staatliche und private ukrainische Sender wurden von einem Tag auf den anderen geschlossen und durch staatliche russische Medien ersetzt.

Die Bewohner der Krim bekommen derzeit nur Nachrichten aus russischen Kanälen?

Die terrestrischen Radio- und Fernsehprogramme kommen alle aus Russland. Im Internet gibt es weiter ein breit gefächertes Nachrichtenspektrum. Nur konsumiert die Mehrheit der Bevölkerung jene Medien, die sie am einfachsten bekommt. Das sind die russischen.

Ist es für Journalisten noch möglich, auf der Krim zu arbeiten?

Viele Journalisten haben die Krim verlassen, weil sie bedroht wurden. Jene Journalisten, die unter diesen Bedingungen weiterarbeiten, sind sehr mutig. Aber wenn die neuen Machthaber sie nicht als loyal betrachten, bekommen sie zumindest keinen Zugang zu Informationen. Die Lage ist ähnlich wie in Südossetien, Abchasien oder Transnistrien. Auch ich habe derzeit keine Ansprechpartner, mit denen ich verhandeln könnte.

Sie waren kurz vor dem Referendum auf der Krim. Wie wurden Sie aufgenommen?

Es war eine sehr angespannte Stimmung, überall diese bewaffnete «Selbstverteidigung» auf den Strassen. Ich konnte die Angst der Menschen spüren: Wie sie sich bewegten, wie sie mich ansahen. Es wurden auch Protestkundgebungen gegen mich organisiert. Aber ich konnte doch 30 Journalisten treffen.

Nach dieser Reise kam es zu Spannungen zwischen Ihnen und dem OSZE-Sondergesandten Tim Guldimann?

Ich würde es nicht Spannungen nennen. Ich habe ein ausgezeichnetes Verhältnis zur Schweizer OSZE-Präsidentschaft. Aber ich leite eine unabhängige Organisation innerhalb der OSZE, und ich muss diese Unabhängigkeit schützen. Deshalb wollte ich in Kiew nicht gemeinsam mit Botschafter Guldimann vor die Presse treten. Guldimann ist von Präsident Burkhalter mit einer besonders wichtigen Mission betraut worden. Aber diese Mission betrifft politische und militärische Angelegenheiten. Sie hat nichts mit meinem Mandat zu tun. Ich rede mit Journalisten, manchmal auch im Geheimen, um sie nicht zu gefährden. Ich möchte mich alleine, unabhängig von der OSZE-Präsidentschaft bewegen.

Guldimann hat das verstanden?

Ich glaube schon.

Wie können Sie reagieren, wenn die Freiheit der Medien bedroht wird?

Ich mache die Verstösse öffentlich. Öffentlichkeit funktioniert am besten. Es trifft Regierungen hart, wenn ihr Image beschädigt wird.

Sorgen sich auch totalitäre Regimes um ihr Image?

Es ist ihnen das Wichtigste. Wobei sie sich selbst nicht als totalitär betrachten. Alle 57 Mitgliedsstaaten der OSZE bezeichnen sich als Demokratien. Sie arbeiten mit mir zusammen, selbst Weissrussland und Turkmenistan. Wobei ich anmerken muss: Die Medienfreiheit wird östlich und westlich von Wien verletzt.

Abgeordnete der nationalistischen ukrainischen Partei Swoboda sind in ein TV-Studio eingedrungen und wollten den Chef zum Rücktritt zwingen. War dieser Vorfall typisch für den Druck auf die Medien?

Das glaube ich nicht. Ich habe das Verhalten dieser Abgeordneten als völlig inakzeptabel verurteilt. Das tat auch die ukrainische Regierung. Aber es gibt politischen Einfluss auf die staatlichen Medien. Sie müssten schnell in einen öffentlich-rechtlichen Status überführtwerden. Die neue Regierung versteht das Problem und arbeitet mit uns.

Können die unlängst entsandten OSZE-Beobachter etwas bewirken?

Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie viel es für die Menschen bedeutet, dass wir vor Ort sind und dass sie mit uns reden können. Die Ukraine bräuchte aber auch die Anwesenheit anderer internationaler Organisationen. Wir werden in dieser Krise alle Instrumente benötigen, die wir zur Verfügung haben.

Sie werden demnächst wieder in die Ukraine fahren?

Ich werde Donezk, Odessa, Charkiw und Kiew besuchen. Ich werde Journalisten treffen, mir ihre Probleme anhören und diese dann mit Vertretern der Regierung und der Justiz besprechen.

Auf einen Besuch der Krim werden Sie wohl verzichten müssen?

Ich fürchtete auch das letzte Mal, dass man mich nicht einreisen lassen würde. Und dann funktionierte es doch.