Lohn der Korruption

24. Februar 2015

Der Sieg des Oppositionskandidaten bei einer Nachwahl in Ungarn zeigt die Unzufriedenheit der Wähler mit Premier Orban. 

Sie versuchten es mit Zuckerbrot und mit der Peitsche. Erst mit zusätzlichen Kandidaten, die Wähler verwirren und damit Oppositionsparteien schwächen sollten. Dann mit dem Versprechen, ein neues Schwimmbad zu bauen. Und schliesslich mit der Drohung, den Geldhahn zuzudrehen, sollte der falsche Kandidat gewinnen. Es half alles nichts.

Mit einer überraschend deutlichen Mehrheit von 42,5 Prozent gewann bei den Nachwahlen in der ungarischen Gemeinde Veszprem der von der vereinten linken Opposition unterstützte Zoltan Kesz. Der junge Lehrer zieht ins Budapester Parlament ein, und die Regierungspartei Fidesz verliert die Zweidrittelmehrheit. Besonders schmerzhaft ist dieser Verlust nicht. Die Regierung von Viktor Orban konnte sich fünf Jahre lang auf die «Supermehrheit» stützen, damit eine neue Verfassung beschliessen sowie die wichtigsten Posten in Justiz und öffentlich-rechtlichen Medien unter Parteianhängern verteilen. Orban muss sich nicht fürchten: Die staatlichen Institutionen bleiben weiterhin fest in seiner Hand.

Problematische Nähe zu Putin

Dennoch muss der Regierungschef alarmiert sein. Die ländliche Region nahe des Plattensees war bis vor kurzem eine Hochburg der Nationalkonservativen. Und die Botschaft der Wähler von Veszprem wird durch Meinungsumfragen für ganz Ungarn bestätigt: Fidesz verliert in der Bevölkerung rapid an Rückhalt. Im Herbst 2014 kam die Partei noch auf knapp 45 Prozent (und bekam dank geändertem Wahlrecht damit die Zweidrittelmehrheit). Heute liegt sie zwischen 20 und 30 Prozent.

Hauptgrund für die zunehmende Enttäuschung im Volk ist die Korruption im Umfeld des Regierungschefs. Wenn Staat oder Gemeinden Grossaufträge vergeben, kommen stets Firmen einiger weniger Oligarchen zum Zug. Alle stehen Orban nahe. So stieg der Bürgermeister von Orbans Heimatgemeinde Felcsut innert weniger Jahre vom Installateur zum Multimillionär auf. Auch die Firma von Orbans Schwiegersohn ist plötzlich besonders gut im Geschäft. Für die meisten Ungarn ohne Beziehungen zur ersten Familie im Staat bleibt die wirtschaftliche Lage hingegen trist.

Verstört wurden viele Fidesz-Wähler auch durch den Besuch Wladimir Putins in Budapest vergangene Woche. Russland galt bei den ungarischen Konservativen immer als Bedrohung, Antikommunismus ist Grundkonsens und in der neuen ungarischen Verfassung verankert. Dass Orban einen Staatschef empfing, der Panzer im Nachbarland Ukraine auffahren lässt und die Krim annektierte, können Orbans Anhänger nicht nachvollziehen.

Orban erlitt in Veszprem die erste Wahlniederlage seit über zehn Jahren. Die nächste droht am 12. April im Wahlkreis Tapolca. Auch dort finden Nachwahlen statt, nach dem Tod des Fidesz-Abgeordneten. Auch dort könnte der Kandidat der Opposition gewinnen. Die regierende Partei wird unruhig. Der ungarische EU-Kommissar Tibor Navracsics, der vor einem Jahr die Wahlen in Veszprem für Fidesz noch haushoch gewonnen hatte, mahnt zum «Strategiewechsel». Für Orban könnte das nur bedeuten: Ende der Kungelei mit den Oligarchenfreunden, Distanz zu Russland, neue Partnerschaft mit Brüssel.

Nur: Was kann er gewinnen?

Bis zu den nächsten Parlamentswahlen sind es noch fast vier Jahre, und nach einer Niederlage bei den zweiten Nachwahlen hätte Fidesz immer noch 131 der insgesamt 199 Parlamentssitze. Selbst eine Zweidrittelmehrheit könnte der taktisch geschickte Machtmensch Orban vermutlich schnell herstellen: Nicht alle Abgeordneten sind gegen Verlockungen der Macht und des Geldes immun. Orban hat ausserdem eben erst gezeigt, dass er selbst zum Bruch mit der von ihm entworfenen Verfassung bereit ist, wenn es den eigenen Interessen dient: Die Verträge über den russischen Ausbau des staatlichen ungarischen Atomkraftwerks Paks bleiben zwei Jahrzehnte lang geheim – obwohl die Verfassung den Staat zu absoluter Transparenz verpflichtet.