Mit kaltem Lächeln an die Macht

11. Dezember 2012

Victor Ponta ist im Zenit angelangt: Rumäniens Wähler haben dem Regierungschef einen Freibrief für Verfassungsänderung und politische Säuberungen ausgestellt. Ein Porträt von Bernhard Odehnal, Bukarest

Noch in der Wahlnacht zitierte Rumäniens Wahlsieger Victor Ponta die Bibel: «Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert fallen.» Ponta nannte keinen Namen, aber seine Anhänger wussten genau, wen der Regierungschef meinte: Es gibt in Rumänien ein bekanntes Foto, das Staatspräsident Traian Basescu mit einem riesigen Schwert in Händen zeigt.

Nach diesem Sonntag kann der konservative Basescu kaum noch das Schwert gegen seinen sozialdemokratischen Widersacher erheben. Der Präsident ist politisch angezählt, die von ihm unterstützte Oppositionsallianz ARD erlebte ein Debakel. Ponta hat also allen Grund zur Fröhlichkeit. Sein sozialliberales Bündnis USL kann nicht nur mit satter Mehrheit allein regieren. Es kann gemeinsam mit einer der beiden kleineren Oppositionsparteien die Verfassung ändern und damit die Macht des Präsidenten beschneiden.

Ein starker Hang zum Zynismus

Vermutlich wird sich Basescu noch nicht gleich geschlagen geben und mit allerlei Tricks versuchen, den Auftrag zur Regierungsbildung zu verzögern oder nicht an Ponta zu geben. Aber letztlich wird der Präsident den Willen der Wähler nicht ignorieren können. Ponta erklärte seinen historischen Wahlsieg zum «Ende des Bürgerkriegs».

Victor Ponta lächelt gern und oft. Aber es ist kein warmes, freundliches Lächeln. Eher kalt und schmal: eine Maske, hinter der sich ein starker Hang zum Zynismus und der kompromisslose Wille zur Macht verbergen. Ponta lächelt, wenn er Regierungsstellen von Beamten säubern lässt, die er für nicht genug loyal hält. Er lächelte auch, als er vergangenen Sommer die Kompetenz des Verfassungsgerichts beschnitt und wichtige Posten in der Justiz mit Parteifreunden besetzte.

Selbst als die Opposition Beweise vorlegte, dass der Regierungschef in seiner Diplomarbeit schamlos abgeschrieben und sich zu Unrecht mit dem Titel einer sizilianischen Universität geschmückt hatte, kostete das Ponta nur ein Lächeln. Solche Dinge «interessieren die Leute nicht», erklärte er vor den Wahlen – und sollte damit recht behalten.

Ehrgeiz, Rücksichtslosigkeit, aber auch Intelligenz und Talent zeichnen die Karriere des 40-jährigen Ponta aus. Er stammt aus Bukarest und begann kurz nach Ceausescus Sturz mit dem Jusstudium, das er 1995 abschloss. Sein Doktorvater war der spätere sozialdemokratische Regierungschef Adrian Nastase, der seinerseits wieder vom Revolutionsführer und Staatspräsidenten Ion Iliescu protegiert wurde. Mit den zwei Paten der rumänischen Sozialdemokraten als politische Ziehväter konnte für Ponta nicht viel schiefgehen. Er selbst trat der PSD allerdings erst relativ spät bei, als er im Jahr 2002 schon Staatssekretär im Kabinett Nastases war. Zuvor hatte er als Staatsanwalt und Dozent für Strafrecht gearbeitet. Zur Partei fand Ponta über seine zweite Frau, Daciana Sirbu, Tochter eines hohen sozialdemokratischen Politikers. Sie ist heute Abgeordnete im EU-Parlament.

Unter der schützenden Hand von Adrian Nastase machte Ponta schnell Karriere: Vorsitzender der Jugendorganisation, Abgeordneter und schliesslich Parteichef, als er sich 2010 in einer Kampfabstimmung gegen den Reformer Mircea Geoana durchsetzte. Ponta ist zwölf Jahre jünger als Geoana, gilt aber als Vertreter der alten Garde. Der grösste Schock für ihn war die Verurteilung seines Ziehvaters Nastase wegen Korruption zu zwei Jahren Haft. Bis dahin hatte sich die politische Klasse Rumäniens für unantastbar gehalten.

Erweiterte Seilschaften

Dass Ponta seither vor allem die Justiz und die Anti-Korruptions-Behörde im Visier hat, kann als Konsequenz aus dem Nastase-Urteil verstanden werden. Der Angriff auf die Korruptions-Bekämpfer und der Versuch, die Führung der Integrationsbehörde ANI auszutauschen, brachten Ponta nicht nur Kritik vonseiten der EU, sondern auch der US-Regierung ein. Nach dem Wahlsieg zeigt sich der Sieger zwar versöhnlicher und verspricht eine «EU-freundliche» Politik. Allerdings fordert er auch eine «selbstbewusste und aktivere Rolle» seines Landes in Brüssel. Ponta habe zwar als Schützling Nastases begonnen, sich aber mittlerweile selbstständig gemacht, sagt der Politologe Cristian Pirvulescu. In der eigenen Partei hat er Vertraute in Schlüsselpositionen gesetzt. Die Führer der verbündeten Parteien in der USL werden mit wichtigen Posten belohnt: Der nationalliberale Crin Antonescu, der wichtigste Partner und gleichzeitig ein Konkurrent Pontas, soll Staatspräsident werden.

Politisch ist Ponta nach wie vor ein unbeschriebenes Blatt, obwohl er seit Mai 2012 eine sozialdemokratischliberale Regierung führt. Im Wahlkampf zeigte er mit einer Einladung Tony Blairs nach Bukarest Sympathie für den in Westeuropa längst wieder verpönten «Dritten Weg». Weder in seiner Steuernoch in der Sozialpolitik finden sich jedoch sozialdemokratische Elemente.

Ponta wirkt in seinem Auftreten vielmehr wie ein Vertreter der neuen Mittelschicht Rumäniens. Er spricht für diese Clique junger Männer, die in ihren einheitlich schwarzen Anzügen, weissen Hemden und schmalen Krawatten die Vorstandsetagen von Banken, Versicherungen und Energieunternehmen besetzen und mit ihren schwarzen Allradwagen Fussgänger von den Bukarester Trottoirs verjagen. Für sie gilt das Recht des Stärkeren. Auf der Strasse und in den Büros: In Ponta haben sie einen Verbündeten. Er liebt die Macht und mächtige Autos. Sein Hobby ist der Autorennsport, vergangenes Jahr nahm er sogar an der Rallye in Monte Carlo teil und soll dafür umgerechnet rund 50 000 Franken hingeblättert haben. Das Steuer durfte er trotzdem nicht halten. Ponta musste sich mit der Fahrt auf dem Beifahrersitz begnügen.