Österreichs Gewerkschaften wollen mehr EU

4. Juli 2018

Was in der Schweiz diskutiert wird, gibt es in Österreich bereits: Die Voranmeldung für ausländische Arbeiter ist abgeschafft. Wiedereinführen will sie niemand.

Die 8-Tage-Regel müsse bleiben, forderte Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, im Interview mit dieser Zeitung. Denn sonst drohe das Schicksal Österreichs: Dort sei die Voranmeldung für ausländische Arbeiter abgeschafft. «Nun haben sie grössere Probleme, die Löhne zu kontrollieren. Und Ersatzmassnahmen wie die Arbeitgeberhaftung werden vor dem EU-Gericht angefochten.»

In seinem Blog legte Lampart nach: Gewerkschafter in Österreich seien sehr besorgt. Ohne Voranmeldung seien «Kontrollen und die Durchsetzung der Löhne stark erschwert». Wurde Österreich zum Paradies für Lohndumping?

Tatsächlich ist in Österreich der Druck auf die Löhne durch aus dem Ausland entsendete Arbeitnehmer ein Problem. Und Anfang 2017 wurde die verpflichtende Voranmeldung von mindestens sieben Tagen vor Arbeitsantritt abgeschafft. Dennoch konnte diese Zeitung in den österreichischen Arbeitnehmervertretungen niemanden finden, der sich an der Abschaffung stört. Eine Gewerkschafterin vermutet, dass «der Kollege aus der Schweiz da vielleicht etwas missverstanden hat».

Ebenfalls 2017 trat in Österreich das «Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz» in Kraft. Die Abschaffung der Voranmeldung ist Teil dieses Gesetzes – sie wurde vom Europäischen Gerichtshof verlangt. Dafür wurden andere Massnahmen eingeführt, wie die Haftung der Auftraggeber. «Wir haben ein extrem gutes Gesetz, das vor allem auch unsere heimischen Unternehmen vor unlauterer Konkurrenz schützt», sagt Susanne Haslinger von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE. Von einer Zunahme der Lohndumping-Fälle ist ihr nichts bekannt, da fehlten noch die Zahlen. «Doch die Kontrollen sind schwieriger geworden», sagt sie.

Für die Kontrolle ist die Finanzpolizei zuständig. Diese habe keine Veränderungen festgestellt, sagt der Sprecher des Finanzministeriums, Johann Pasquali: Ob die Meldungen sieben Tage oder einen Tag vor Arbeitsbeginn eintreffen, habe für die Kontrolleure keine so grosse Bedeutung. Mehr noch: Die alleinige Ausrichtung der Kontrollen auf die Entsendemeldungen «birgt die Gefahr, dass die Behörden jene Firmen nicht entdecken, die gänzlich ohne Meldung in Österreich tätig sind».

«Strafdrohungen sind viel wirksamer als die Voranmeldung», findet auch Walter Gagawczuk, Sozialpolitik-Experte der staatlichen Arbeitnehmervertretung «Arbeiterkammer». Die Erhöhung der Strafen für die Nichtmeldung ausländischer Arbeiter zeige Wirkung. Eine Wiedereinführung der 7-Tage-Voranmeldung fordert die Arbeiterkammer nicht. Viel wichtiger wäre es, «dass Strafen für Lohndumping auch im Ausland vollstreckt werden könnten», sagt Gagawczuk. «Dafür brauchen wir eine europäische Arbeitsbehörde.»

Dass ein europäischer Staatsanwalt nun die Arbeitnehmerhaftung zu Fall bringen will, wie das Lampart im Interview sagte, hat sich in Österreich noch nicht herumgesprochen. «Es wäre ein Freibrief für Rechtsverstösse», sagt Susanne Haslinger. Es sei allerdings keineswegs sicher, dass der Europäische Gerichtshof der Argumentation folge.

Generell plädieren Österreichs Gewerkschafter eher für mehr Einfluss der EU. Bedroht sehen sie den Arbeitnehmerschutz nicht durch Brüssel, sondern durch die heimischen Lobbyverbände der Unternehmer. Diese wollen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wieder entschärfen. Die Regierung zeigt dafür viel Verständnis.