Orban arbeitet an seiner Wiederwahl

22. September 2012

Ungarns Regierungspartei will die Wahlkreise neu ziehen und die Wähler neu registrieren. Die Opposition sieht darin eine Verletzung der Verfassung.

Bernhard Odehnal, Budapest

Für die Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz wird ihr jüngster Gesetzesentwurf «das Tor der Demokratie ganz weit öffnen». Die Opposition hingegen wittert einen neuerlichen Anschlag auf die Demokratie und einen Versuch von Regierungschef Viktor Orban, sich die absolute Macht im Staat bei den nächsten Wahlen 2014 zu sichern - und zwar auch mit deutlich weniger Wählerstimmen als bei den Wahlen 2010. Es geht um das Wahlrecht und die Wahlorganisation: Fidesz hat diese Woche dazu ein ganzes Bündel an Gesetzesentwürfen im Parlament eingebracht und wird sie demnächst beschliessen.

Besonders empört ist die Opposition über die Einführung der Wählerregistrierung. Obwohl es in Ungarn amtliche Wählerverzeichnisse gibt und Wahlfälschungen bisher kein Problem waren, wird Fidesz ein Gesetz beschliessen, das alle Wähler zwingt, sich bis spätestens 15 Tage vor den nächsten Wahlen noch einmal zu registrieren. Für die Registrierung per Post soll es eine kurze Frist geben, wer die versäumt, muss persönlich im Gemeindeamt vorsprechen. Orbans Kritiker sehen darin den Versuch, vor allem alte Menschen und Roma von den Wahlen auszuschliessen, weil sie bisher traditionell die Sozialisten wählten. Auch unentschlossene Wähler, die eher zum Protest gegen die Regierung neigten, würden so von den Urnen ferngehalten. Aktuelle Umfragen sehen Fidesz nur mehr bei 19 Prozent, über 50 Prozent der Wähler sind hingegen unentschlossen. Von den Befragten erklärten nur 41 Prozent, sie würden sich auf alle Fälle registrieren lassen.Dafür erweitert Orbans Partei den Kreis der ihm wohlgesinnten Wähler: Bei den Parlamentswahlen 2014 werden auch ethnische Ungarn in Siebenbürgen, der Ukraine oder der Slowakei ihre Stimme abgeben dürfen, wenn sie zuvor die ungarische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Die Minderheiten in den Nachbarländern Ungarns gelten als besonders konservativ und nationalistisch.Die ungarische Wahlbehörde wird gegen die Reform kaum Einspruch erheben: Ihre Mitglieder werden gerade von der Fidesz-Mehrheit im Parlament neu bestellt und dürfen neun Jahre im Amt bleiben. Möglicherweise spricht aber das oberste Gericht noch ein Wort mit. Der ehemalige Staatspräsident und Verfassungsexperte Laszlo Solyom kritisierte die Wählerregistrierung als «Aushebeln der Verfassung». Die Regierungspartei argumentiert hingegen, dass Wählen damit zu einem bewussten Akt mündiger Staatsbürger werde.

Neue Posten für Fidesz-Leute

Im Unterhaus des Parlaments werden nach den nächsten Wahlen statt 386 nur noch 200 Abgeordnete sitzen. Auch die Wahlkreise werden reduziert und zum Vorteil der Kandidaten aus der Regierungspartei verändert. Das komplizierte Prozedere mit Direkt-, Landes-, und Regionalmandaten wird vereinfacht sowie der zweite Wahlgang abgeschafft. Orban hatte diese Reformen nach seinem Wahlsieg angekündigt, weil damit die Demokratie gestärkt und Kosten gesenkt werden könnten. Gleichzeitig aber führt die Regierung im Land eine neue Verwaltungseinheit ein: Zwischen den Gemeinden und den Komitaten (Megye) wird es in Zukunft Bezirke (Jaras) mit neuen Kompetenzen geben. Auf diese Weise werden neue Verwaltungsposten für jene Fidesz-Politiker geschaffen, für die es im Parlament ab 2014 keinen Platz mehr gibt.