Orban brüskiert den Währungsfonds

11. September 2012

Ungarns Premier hat Bedingungen für einen IWF-Kredit abgelehnt. Der Versuch, in Aserbeidschan einen potenten Partner zu gewinnen, endete aber bereits in einem Desaster.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Viktor Orban zeigte wieder einmal gutes Gespür für die richtige Inszenierung. Mit aufgerollten Hemdsärmeln, ernstem Blick und Sorgenfalten auf der Stirn stellte er sich vergangene Woche vor eine wackelige Handkamera und teilte den Zusehern mit, dass Ungarn niemals die neuen Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) akzeptieren könne. Die Absage des ungarischen Regierungschefs erschien exklusiv auf seiner Facebook-Seite und liess Freunde und Gegner etwas ratlos zurück.

Einen Tag zuvor hatte Orban noch erklärt, dass Ungarn früher als geplant die Verhandlungen mit dem IWF über die Verlängerung einer Kreditlinie abschliessen konnte. Zwei Tage später versuchte Orban deshalb in seinem wöchentlichen Interview mit dem staatlichen Radiosender Kossuth (im Volksmund «Freitagsgebet» genannt) den Widerspruch mit einer neuen Liste zu erklären, die der Währungsfonds als Bedingung geschickt habe: Darin werde seine Regierung aufgefordert, Pensionen, Kindergeld und Zuschüsse für den öffentlichen Verkehr zu kürzen sowie Grund- und Einkommenssteuer zu erhöhen.

Die Liste mit den angeblichen Forderungen des Währungsfonds wurde auch in der regierungsnahen Tageszeitung «Magyar Nemzet» veröffentlicht. Dennoch ist nicht klar, ob sie tatsächlich vom IWF stammt oder aus Orbans Propagandazentrale. Der Währungsfonds hat sich dazu nicht geäussert, und das unabhängige Nachrichtenportal Index.hu schreibt nur von einem Brief des IWF Ende August, der aber keine konkreten Forderungen enthalte.

Ungarn erhielt als erstes Land im ehemaligen Ostblock Kredite des IWF, zu Beginn der Bankenkrise handelte die damals noch sozialistische Regierung in Budapest einen Kredit über 20 Milliarden Euro aus, um das Land vor dem Bankrott zu retten. Bevor die letzten 6 Milliarden ausbezahlt wurden, kam es jedoch zum Regierungswechsel, und Viktor Orban brach als Teil seiner «nationalen Revolution» die Gespräche mit dem IWF abrupt ab. Jetzt hätten die Ungarn das Geld aber doch ganz gern, nicht als finanziellen Rettungsschirm, sondern als «Sicherheit», wie Orban und sein Chefverhandler Mihaly Varga betonen. Der Zickzackkurs der ungarischen Regierung in ihrer Haltung zum IWF dürfte die Gespräche aber nicht erleichtern. Nach Orbans Muskelspiel sackte der Kurs der ungarischen Währung Forint kurzfristig deutlich ab.

Viele Alternativen zum Bittgang nach Brüssel hat Orban allerdings nicht. Seine Politik, der EU den Rücken zu kehren und Verbündete in Asien zu suchen, bleibt bis jetzt ohne Erfolg. China hat zwar den Kauf ungarischer Staatsanleihen versprochen, aber noch keine Taten folgen lassen. Und der Versuch, in Aserbeidschan, das zur Schweizer Stimmgruppe im IWF gehört, einen verlässlichen und finanziell potenten Partner zu gewinnen, endete in einem diplomatischen Desaster, das Ungarn noch lange schaden wird.

Mörder als «nationaler Held»

Vor acht Jahren hatte der aserbeidschanische Offizier Ramil Safarow während einer gemeinsamen Nato-Übung in Ungarn in der Nacht seinen armenischen Kameraden Gurgen Margaryan mit 16 Axtschlägen ermordet. Safarow wurde in Ungarn zu 30 Jahren Haft verurteilt, im August jedoch überraschend an Aserbeidschan ausgeliefert. Dort wurde er sofort von Präsident Ilham Alijew begnadigt und als «nationaler Held» geehrt. Armenien brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Ungarn ab und vor den ungarischen Botschaften in Jerewan, aber auch in den USA demonstrieren seither wütende Armenier. Auch das amerikanische Aussenministerium verurteilte die Auslieferung des Mörders in ungewöhnlich scharfen Worten, weil sie die Bemühungen um eine friedliche Lösung des armenisch-aserbeidschanischen Konflikts torpediert habe. Der armenische Präsident Sersch Sarkisjan drohte Aserbeidschan mit Vergeltung.

Warum sie den Mörder auslieferte, kann die ungarische Regierung nicht schlüssig erklären. Es gibt allerdings das Gerücht, dass sich Budapest im Gegenzug von Baku den Ankauf von ungarischen Staatsanleihen erwartete, und zwar von 2 bis 3 Milliarden Euro. Die türkische Bank, über die das Geschäft abgewickelt werden sollte, bestätigte Verhandlungen. Sollte es diese Erwartung tatsächlich gegeben haben, wurde sie mittlerweile bitter enttäuscht. Die aserbeidschanische Regierung behauptet, es gebe kein Versprechen und schon gar keine Geldgeschäfte im Gegenzug für die Auslieferung. Der staatliche Ölfonds Aserbeidschans, Sofaz, veröffentlichte gar ein Statement, dass er keine Absicht habe, in Ungarn zu investieren. Ungarn hat auch kein Druckmittel in der Hand. Der Mörder ist in seiner Heimat und frei, die ungarische Regierung ist blamiert.