Pater S. bestreitet den Vorwurf, Schützlinge im Kloster Fischingen missbraucht zu haben

18. Juli 2012

Er habe nichts zu verbergen, sagt Pater S. Ein Ex-Zögling wirft ihm vor, er habe sich als Erzieher im Kinderheim des Klosters Fischingen durch Sadismus hervorgetan.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Ein ehemaliger Erzieher des Kinderheims Fischingen wehrt sich gegen die Vorwürfe, er sei gewalttätig gewesen und habe Schützlinge sexuell missbraucht. In der gestrigen Ausgabe der «Thurgauer Zeitung» und des «St. Galler Tagblatts» bezieht Pater S. erstmals Stellung zu den Vorwürfen, die einstige Zöglinge im TA gegen ihn erhoben haben. Er sei fassungslos, wird S. zitiert, «ich habe nichts zu verbergen». Ebenfalls zu Wort kommt ein Ex-Schüler von S., der heute Gymnasiallehrer in Uster ist: Er habe S. als «hervorragenden Lehrer» kennen gelernt, ohne jede Neigung zu Gewalt oder Pädophilie. Die Vorwürfe seien ein «unglaublicher Rufmord».

Im TA vom 26. Juni hatte der 56-jährige Österreicher Walter Nowak erzählt, wie er in den 60er-Jahren von S. geschlagen und sexuell missbraucht worden sei. Unter anderem sei er von S. gezwungen worden, auf der scharfen Kante eines Lineals zu knien. Auch sei er in eine Dunkelkammer gesperrt worden. Nach Erscheinen des Artikels erhielt der TA Leserbriefe und Anrufe von anderen ehemaligen Zöglingen in Fischingen, die Nowaks Angaben über den Pater mit dem Spitznamen «Stiefel» bestätigten. Es meldete sich aber auch ein ehemaliger Schüler, der ausschliesslich positiv über seine Schuljahre in Fischingen berichtete. Für Nowak ist das kein Widerspruch: Nicht alle Schüler seien schlecht behandelt worden, sagt er, «die Gewalt traf die Schwächsten, die keinen Rückhalt in ihrer Familie hatten. Die konnten sich nicht wehren.»

Nowak wusste bis gestern nicht, ob Pater S. überhaupt noch lebt. Der TA fragte mehrmals bei Klosterdirektor Werner Ibig an, ob S. noch im Kloster wohne, und wenn ja, ob er zu sprechen sei. Ibig verweigerte die Antwort mit Verweis auf den Datenschutz. Die «Thurgauer Zeitung» konnte den heute 82-jährigen Pater sprechen. Er sagte der Zeitung, dass er sich an Nowak zuerst gar nicht erinnerte und erst auf alten Klassenfotos nachschauen musste. Er habe Nowak zwei Jahre lang unterrichtet. Nowak habe wohl alles Schlimme in seinem Leben auf ihn projiziert. Auf die Frage, ob er eine Verleumdungsklage einreichen wolle, antwortete der Pater: Er wisse nicht, ob er das seiner Gesundheit zumuten könne.

Klage auf Schadenersatz

Nowak würde eine Klage von S. begrüssen, «dann käme endlich alles auf den Tisch». Doch statt einer Anzeige habe er gestern erneut einen Anruf von Klosterdirektor Ibig erhalten. Dieser habe ihm abermals ein Gespräch angeboten. Ein erster Gesprächstermin war von Nowak kurzfristig abgesagt worden. Auch das neue Angebot will er nicht annehmen. «Es würde nichts an der Sachlage ändern und nichts an der Art des Klosters, mit dem Problem umzugehen», sagt er.

Im Namen des Vereins St. Iddazell, dem Trägerverein des Klosters, lehnte Ibig in der «Thurgauer Zeitung» - wie bereits gegenüber dem TA - eine finanzielle Entschädigung ab. Denn das hiesse, «wir spielen Gericht».Nowak hat sich einen Anwalt genommen. Er will mit einer Schadenersatzklage an den Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gelangen. Der Verein St. Iddazell betreibe eine Zermürbungstaktik: «Die wollen mich so weit bringen, dass ich aufgebe.» Für den TA ist Pater S. nicht zu sprechen. Durch Ibig lässt er ausrichten, er habe den Aussagen in der «Thurgauer Zeitung» nichts beizufügen.