«Pöbeln Sie mich jetzt an?»

8. Mai 2013

Nationalistenführer Wolen Siderow sieht Bulgarien von ausländischen Konzernen und der Türkei bedroht.

Mit Wolen Siderow sprach Bernhard Odehnal in Sofia
 
Sie haben die letzten Jahre die Regierung von Bojko Borisow still unterstützt. Wollen Sie diese Politik nach den Wahlen fortsetzen?

Nein. Bulgarien ist zurzeit in den Händen ausländischer Konzerne. Es ist zur Kolonie geworden in den Bereichen Energie, Rohstoffe, Tankstellen, Dienstleistungen, Goldgewinnung, Einzelhandel. Das darf so nicht weitergehen. Bojko Borisows Partei hat die schlechten Verträge mit internationalen Konzernen nicht aufgelöst. Damit hat sie ihre Chance verspielt.


Wahlplakate für Wolen Siderow und die Partei «Ataka» in Sofia. Foto: B. Odehnal 

Dann bleiben nur die Sozialisten, die Sie unterstützen könnten?

Ataka wird die Wahlen vom Sonntag gewinnen, die anderen Parteien werden sich mit uns absprechen müssen. Wenn die nächste bulgarische Regierung den ausländischen Energieunternehmen die Lizenzen entzieht, bekommt sie unser Vertrauen.

Die Auflösung der Verträge mit den ausländischen Stromkonzernen ist für Sie eine Bedingung, die nicht verhandelbar ist?

Diese Konzerne sind keine Investoren: Sie kassieren von den bulgarischen Bürgern und bringen das Geld ins Ausland. Wäre es in der Schweiz möglich, dass ein ausländischer Konzern die Stromversorgung übernimmt? Da müsste doch das Volk befragt werden. Wir haben auch andere Forderungen: Heute betragen die niedrigsten Renten 74 Euro, wir wollen sie auf 250 Euro erhöhen.

Sie wollen nach Schweizer Vorbild direkte Demokratie einführen?

Die Unterschiede zwischen unseren Ländern sind nicht gross. Die Schweizer Verfassung stammt aus dem Jahr 1848, die bulgarische von 1879. Nur die politische Klasse war in den Jahren nach der Wende gegen direkte Demokratie, nicht das Volk. Ich bin sicher, dass diese Tradition wiederbelebt und genauso gut funktionieren kann wie in der Schweiz.

Sie fordern wie in der Schweiz eine Volksbefragung über das Verbot von Minaretten. Sie wissen, dass die Schweiz für dieses Verbot viel Kritik aus der EU einstecken musste?

Die zu grosse Toleranz der EU gegenüber dem Islam wird Europa noch sehr schaden. Wenn dem Vormarsch der Muslime kein Riegel vorgeschoben wird, wird Europa seine Identität verlieren. Hinter dem Bau von Moscheen in Bulgarien steckt ein konkreter Plan bulgarischer Muslime: Sie wollen zeigen, dass sie sehr viele sind und deshalb ein Anrecht auf Autonomie haben. Hier geht es nicht um religiöse Freiheiten, sondern um Geopolitik.

 
Wolen Siderow bei einer Kundgebung vor der türkischen Botschaft in Sofia. Foto: B. Odehnal

Ataka profitierte von den Protesten vom Februar gegen Energiepreise und Armut. Warum begannen Sie den Wahlkampf mit einer antitürkischen Kampagne?

In einer türkischen Zeitung erschien eine Landkarte, in der Teile Bulgariens der Türkei zugeschlagen wurden. Ich habe darauf reagiert. Ich merke aber, dass Sie tendenziöse Fragen stellen: Ich führe keine antitürkische, sondern eine probulgarische Kampagne.

Sie haben auf einer Kundgebung die türkischen Diplomaten in Sofia als Nachkommen von Völkermördern bezeichnet. Das ist keine antitürkische Kampagne?

Fragen Sie lieber den türkischen Botschafter, warum die Türkei territoriale Ansprüche an Bulgarien stellt. Wir haben Bulgariens Ministerpräsidenten geschrieben, dass er Massnahmen ergreifen muss. Er lehnte es ab. Das führte zu unserem Protest. Hätten wir lieber in der Kneipe Bier trinken und schimpfen sollen? Ich kann Sie nicht verstehen. Pöbeln Sie mich jetzt an? Schreiben Sie für eine türkische Zeitung? Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, dann bedanke ich mich für das Interesse und hoffe, dass Sie bei der Veröffentlichung korrekt bleiben. Oder arbeiten Sie für eine türkische Zeitung? Ich möchte das Interview jetzt lieber abbrechen.

Sie haben die Frage noch nicht beantwortet, ob die bulgarischen Wähler ein Konflikt mit der Türkei wirklich mehr interessiert als der Kampf gegen die Armut.

Wie kann man eine so dumme Frage stellen? Welche Politik verfolgt Ihre Zeitung? Wem gehört sie? Natürlich interessiert es die Bulgaren, wenn sie von der Türkei bedroht werden. So eine aberwitzige Frage. Ich bin sprachlos.

Wolen Siderow: Der Ex-Journalist ist der Gründer der nationalistischen Partei Ataka, für die er seit 2005 im Parlament sitzt.