Rechtsextreme im Aufwind

14. April 2015

Die rechtsnationale Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban hat dem Extremismus den Weg bereitet.

Juden mag er nicht, Roma noch weniger. Auf seinen Oberkörper soll er sich den Wahlspruch der SS tätowiert haben: «Unsere Ehre heisst Treue.» Die ungarischen Wähler störte das nicht. Am Sonntag wählten sie Lajos Rig, den Kandidaten der rechtsextremen Partei Jobbik, ins Budapester Parlament. Die Wahl fand im Wahlkreis Tapolca in Westungarn statt, weil dort der Abgeordnete der Regierungspartei Fidesz bald nach den Parlamentswahlen 2014 verstorben war. Die Kandidaten der sozialistischen Opposition und der Grünen blieben weit abgeschlagen.

2014 gewann Jobbik 23 von insgesamt 199 Sitzen im Parlament. Jetzt konnte die Partei zum ersten Mal ein Direktmandat erlangen. Für Parteichef Gabor Vona war das ein Ergebnis von «nationaler Bedeutung»: Viele Menschen hätten nicht geglaubt, dass Regierungschef Viktor Orban geschlagen werden könnte. Doch «das 21. Jahrhundert hat die Parteien des 20. Jahrhunderts besiegt». Vona will bei den Wahlen 2018 über Orban triumphieren. Das halten auch seine Gegner für realistisch. Landesweite Umfragen geben Fidesz nur mehr wenige Prozent Vorsprung vor Jobbik. Die Rechtsextremen legen weiter zu.

Was hat Jobbik, was den anderen Parteien fehlt? Zuerst einmal ein professionelles Wahlkampfmanagement. In Tapolca legte sich die Partei mächtig ins Zeug, vom Führer bis zum kleinsten Parteimitglied. Nach Vorbild amerikanischer Parteien wurden die Wähler einzeln besucht. Zudem änderte Jobbik Erscheinungsbild und Rhetorik. Ihren Traum von der Auferstehung Grossungarns haben die Rechtsextremen ebenso wenig aufgegeben wie ihren Hass auf Roma und Juden. Aber sie tragen ihn nicht mehr so oft in die Öffentlichkeit.

Die Schwäche der Gegner

Im Mittelpunkt der Werbekampagnen stehen jetzt die ungarische Familie und der Erhalt traditioneller ungarischer Werte, die durch die Globalisierung bedroht würden. Nationalismus und Fremdenhass wurden ohnehin schon durch Orbans Politik der vergangenen Jahre fest in der ungarischen Gesellschaft verankert. Was Fidesz säte, kann Jobbik nun ernten. Im Grunde muss Gabor Vona aber gar nicht viel tun. Jobbiks Stärke ist die Schwäche seiner Gegner. Orban versprach seinen Wählern Wohlstand und Arbeitsplätze. Der grossen Mehrheit blieb er beides schuldig. Ein kleiner Kreis von Parteifreunden, Oligarchen und Familienmitgliedern konnte sich hingegen schamlos am Staat bereichern. Der Korrup­tionsverdacht ist so offensichtlich, dass ihn nicht einmal regierungsnahe Medien ignorieren können.

Die linke Opposition kann von der Unzufriedenheit nicht profitieren. Sie ist zersplittert, und der grössten Partei, den Sozialisten, haftet noch immer das Image korrupter Apparatschiks an. Auch die Grünen können ausserhalb der grossen Städte nicht Fuss fassen.

Am selben Tag wie die Wahlen in Tapolca fand in Budapest der Marsch der Überlebenden statt – im Gedenken an den Mord an fast 600 000 ungarischen Juden im Holocaust. In seiner Rede warnte der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, dass die Welt auf Ungarn blicke und Jobbik sehe, eine «extremistische Partei, die Hass verbreitet». In Ungarn aber ist Jobbik in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Partei ist wählbar geworden für Arbeiter und Studenten, für Bauern und kleine Unternehmer. Sie alle sind von Viktor Orban masslos enttäuscht. Jobbik ist für sie der Name des Protests.