Reise zu Jörgs Millionengräbern

2. August 2012

Kärnten, das südlichste Bundesland Österreichs, bietet neue Bauten und Skandale.

Von Bernhard Odehnal

Herzlich willkommen, meine Damen und Herren! Ich begrüsse Sie bei Korrupttours-Kärnten, dem einzigen Reisebüro, das Österreichs südlichstes Bundesland zeigt, wie es wirklich ist. Besteigen Sie unseren Bus, und lassen Sie sich in die Welt der Kärntner Politik entführen, wo Geld keine Rolle spielt und Moral ein Schimpfwort ist. Hauptsache, es war «a Gaude», wie wir sagen.

Wir verlassen jetzt den Hauptplatz von Klagenfurt und steuern auf das heimliche Wahrzeichen der Stadt zu: das Wörthersee-Stadion. Zur Fussball-EM 2008 wurde es gebaut, 70 Millionen Euro durfte Österreich dafür bezahlen. Es war ein Lieblingsprojekt unseres Landeshauptmanns, Gott habe ihn selig. «Wir Kärntner», hat der Jörg gesagt, «bekommen das schönste Fussballstadion der Welt.» Drei EM-Spiele wurden hier ausgetragen, seither sind die 32 000 Sitzplätze verwaist. Kärnten hat ja keinen Fussballclub in der Bundesliga mehr. Trotzdem werden nun noch einmal 20 Millionen Euro investiert, um den Einsturz zu verhindern.

Weiter geht es zum nächsten Lieblingsprojekt Haiders: Die Seebühne am Wörthersee entpuppte sich schon bald als Millionengrab. Die Betriebskosten schnellten in die Höhe, die Zuschauer blieben aus. Kein Problem: Haider holte Stars, der Bund zahlte 5 Millionen Euro Subvention. Pro Jahr. Im Finanzministerium in Wien sass damals Haiders Freund Karl-Heinz Grasser.

Viel zu früh ist der Jörg von uns gegangen. Aber er hat den Kärntnern etwas hinterlassen: Schulden, Schulden, Schulden. Und eine bankrotte Bank. Wir stehen jetzt vor der brandneuen Zentrale in Klagenfurt – erbaut, als der Hypo-Alpe-Adria das Wasser schon bis zum Halse stand. Aber Haider bestellte, und die Bank zahlte: eine private Fluglinie (ging pleite) oder ein Luxushotel (ging ebenfalls pleite).

Dummerweise musste Kärntens Hausbank zuletzt notverstaatlicht werden. Das hat die Steuerzahler viel gekostet. Zuvor, beim Verkauf der Bank nach Bayern, sind noch ein paar Millionen in die Kassen der Kärntner Regierungsparteien geflossen. Jene, die heute regieren, waren damals schon dabei: als Haiders Stellvertreter und Sekretäre. Nur können sie sich dummerweise an nichts mehr erinnern.

Wir hätten jetzt gerne den Klagenfurter Bürgermeister besucht, der sich für diesen Job als Haiders Tennislehrer qualifizierte. Aber er nimmt gerade eine neue CD auf: «Oh du mein Klagenfurt, wo ich geboren bin, da ist die Welt so schön.» Die Kärntner singen halt für ihr Leben gern.

Stattdessen fahren wir zur «Jörg-Haider-Brücke». Haider liess den Sockel der Brücke in Blau betonieren, der Farbe seiner Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Nachdem er diese Partei verlassen und das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gegründet hatte, wurde die Brücke in Orange fertiggestellt.

Leider fehlt die Zeit, um vor dem Dom zu Gurk noch das Haider-Denkmal zu bewundern: zwei Stelen, aus denen je acht Hände ragen, die einander berühren und «das Verbindende» in Kärnten darstellen. Böse Zungen behaupten, es stelle eher das Prinzip der Kärntner Politik dar: Eine Hand wäscht die andere.

Wir hätten Ihnen auch noch gerne die Kärntner Regierung vorgestellt: Mit einem Landeshauptmann, dem ein Richter attestierte, er sei zu naiv für die Politik. Und einem Bildungsreferenten, der von der Watschen als Erziehungsmittel schwärmt. Aber die Herren sind vor Gericht. Die Hälfte der Kärntner Landesregierung hat Ermittlungen oder Verfahren am Hals. Einer, Uwe Scheuch, ist gestern zurückgetreten. Sein Nachfolger ist schon bestimmt. Er heisst auch Scheuch, Kurt. In Kärnten bleibt halt alles in der Familie.

Und schon sind wir zurück. Wir von Korrupttours-Kärnten hoffen, Sie hatten eine interessante Fahrt. Kommen Sie nächstes Jahr wieder, wir werden Ihnen wahrscheinlich neue Attraktionen bieten können: Haiders Erben hautnah – hinter Gittern.