Revolutionär mit Steuerdomizil Zug

9. Mai 2012

Der kanadisch-österreichische Milliardär Frank Stronach verwaltet sein Vermögen in der Schweiz. Er sagt, sein Österreich stecke in der Korruptionskrise - mit seinen Millionen will er nun «eine politische Revolution» auslösen.

Von Bernhard Odehnal, Wien

So könne es mit Österreich nicht weitergehen, findet Frank Stronach. Das Land stecke in einer Korruptionskrise, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik sei erschüttert. «Wir befinden uns auf keinem guten Weg. Ich möchte den Menschen die Augen öffnen», sagt Stronach. Die meisten Österreicher denken heute so oder ähnlich. Die Unzufriedenheit mit dem politischen System ist riesig, die Wutbürger werden lauter. Stronach verlangt aber nicht weniger als «eine Revolution für Österreich». Er hätte dafür zumindest die finanziellen Mittel.

Der 79-jährige gebürtige Steirer mit kanadischer und österreichischer Staatsbürgerschaft ist erfolgreicher Unternehmer und Milliardär. In Kanada baute er den Autozulieferkonzern Magna auf, in Österreich kaufte er Fabriken, investiert in den maroden Fussball und sponsert die Hochkultur. Jetzt will er in der Politik mitmischen. Wieder mit viel Geld. Dazu gründete er ein Frank-Stronach-Institut, das gesellschaftspolitisch wichtige Themen behandeln soll, «für die die klassische (Partei-)Politik schon seit Jahren keine Lösungen zu finden scheint».

Sein Revolutionsprogramm liess er auf Hochglanz drucken und den auflagestärksten Boulevardblättern, der «Kronen Zeitung» und «Heute», beilegen. Einige Punkte (Flat Tax, Schuldenbremse, weniger Verwaltung) sind neoliberaler Standard. Neu hingegen ist Stronachs Vorschlag, Abgeordnete wie Geschworene per Zufallsgenerator zu bestimmen. «Wir sollten eine gewisse Balance in der Politik anstreben», schreibt Stronach auf der Internetseite seines Instituts, «Balance ist ein ganz wichtiger Begriff für mich».

Harmonisches Treffen mit BZÖ

In den Medien wird spekuliert, dass Stronach eine eigene Wirtschaftspartei gründen oder die ehemalige Partei von Jörg Haider, BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich), mit seinem Vermögen unterstützen könnte. Im Gegenzug bekäme er einen Sitz im Parlament. Ein erstes Treffen des Milliardärs mit dem BZÖ-Chef Josef Bucher soll sehr harmonisch verlaufen sein, berichtet die «Presse». Bucher lässt gegenüber dem «Tages-Anzeiger» ausrichten, Stronach sei «Privatperson, die in keinem Zusammenhang zum BZÖ steht».

Die Gerüchte machen vor allem die bürgerliche Regierungspartei ÖVP nervös. Stronachs Einstieg könnte die Ausgangslage für die Wahlen 2013 grundlegend verändern. Kann er bürgerliche Protestwähler für sich gewinnen, würde das die ohnehin schwächelnde ÖVP empfindlich treffen. Und fallen die Konservativen unter 20 Prozent, wäre weder die Fortsetzung der Grossen Koalition noch eine Neuauflage der schwarz-blauen Koalition möglich. Der Milliardär aber findet gerade erst Geschmack an der Konfrontation. In seiner wöchentlichen Kolumne in der «Kronen Zeitung» wirbt er für eine Website, auf der Bürger Vorschläge für Reformprojekte einreichen können. Und er bedauert, dass die Regierung «unglücklicherweise aus Politikern besteht».Stronach versteht sich als Patriot und macht sich «grosse Sorgen um Österreich». Sein eigenes Vermögen aber bringt er lieber ins Steuerparadies Zug. In der vom Magazin «Bilanz» jährlich veröffentlichten Liste der 300 Reichsten der Schweiz hat er einen Stammplatz. 2011 lag er mit 1,75 Milliarden Franken Vermögen auf Platz 83. Stronach ist in Zug an der Industriestrasse 13b gemeldet und besitzt in Cham ZG die Firma Stronach & Co. An ihr ist die Enzian Investments Ltd. mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey beteiligt, die laut Gesellschaftsvertrag den gesamten Firmengewinn bekommt. Wie hoch dieser Gewinn war, lässt sich anhand kanadischer Medienberichte und Börsenreporten nur schätzen. Stronach soll jährlich zwischen 20 und 35 Millionen Dollar als Beratungshonorar von Autozulieferer Magna kassiert haben. Kanadische Kleinaktionäre von Magna fanden das überzogen, doch ihr Aufstand scheiterte: Stronach hatte sich bei der Aktionärsversammlung die Stimmenmehrheit gesichert.

Stronach war einst Strohsack

In letzter Zeit geht Stronach gerne an Universitäten und trägt den jungen Österreichern vor, was er für sein Land geleistet hat und was er noch leisten will. Sein Schweizer Vermögen hält der Mann, der Transparenz und strenge Regeln für Politiker fordert, aber geheim. Auf die Frage des «Tages-Anzeigers» nach Stronachs Verbindungen in die Schweiz antwortet der Sprecher des Stronach-Instituts: Es gebe keine, ausser «dass der Frank ein Fan der Schweiz ist». Die Bitte, seine Firmenkonstruktion in Zug zu erläutern, wird dann nicht mehr beantwortet.

Frank Stronach wurde 1932 als Franz Strohsack in einer Arbeiterfamilie im steirischen Kleinsemmering geboren. Mit 25 wanderte der gelernte Werkzeugmacher nach Kanada aus, begann mit der Reparatur von Autos, gründete eine eigene Firma und machte daraus den heute international tätigen Konzern Magna mit 240 Produktionsstätten und 74 000 Mitarbeitern. Anfang der 90er-Jahre zog es den Gründer in seine alte Heimat zurück. Im niederösterreichischen Oberwaltersdorf baute er die europäische Zentrale von Magna und die bizarre Siedlung Fontana im amerikanischen Südstaatenstil, mit Springbrunnen und Golfplatz.

Als Türöffner für seine hochtrabenden Pläne holte sich Stronach ehemalige Minister und Jungpolitiker in sein Unternehmen, unter anderem den ehemaligen Kanzler Franz Vranitzky und mehrere Mitglieder von Jörg Haiders Buberlpartie. Als Stronachs «politischen Streichelzoo» bezeichnet das sein Biograf Norbert Mappes-Niediek. Auch der spätere Finanzminister Karl-Heinz Grasser kam bei Magna unter.

Stronach hat für sich und die Welt eine «goldene Regel» aufgestellt: «Wer das Gold hat, macht die Regel.» Nur funktionierte das in Österreich nicht immer. Der Big Spender scheiterte mit seinen Plänen an Bürgerinitiativen, Kommunalpolitikern oder seiner eigenen Selbstherrlichkeit. Sein Magna-Globus, eine 120 Meter hohe Weltkugel inmitten eines 250 Hektaren grossen Themenparks südlich von Wien, blieb in der Planungsphase stecken, ebenso ein Fussballstadion mit Shoppingcenter. «Magna Racino» sollte die grösste Pferderennbahn Europas werden, kam aber nie über lokale Bedeutung hinaus. Und der österreichische Fussball steckt noch immer in der Krise, obwohl ihn Stronach mit vielen Millionen auf Weltmeisterschaftsniveau heben wollte und sich dafür sogar die Bundesliga kaufte. Mit der Schweiz verbindet ihn nicht viel. Vor seiner Auswanderung nach Kanada lebte er ein Jahr lang in Bern und spielte Fussball beim FC Helvetia. Später holte er den ehemaligen Bundesrat Flavio Cotti in den Verwaltungsrat seines Konzerns.

Empörung in Kanada

Als Stronach 1994 seine Schweizer Gesellschaft in Zug gründete, lagen schwere Zeiten hinter ihm. Kanada steckte in der Rezession, die Aktien von Magna fielen, die Banken wollten Kredite fällig stellen und Stronach durch einen Sanierungsexperten ersetzen. Der Firmengründer konnte sich durchsetzen, für sein Vermögen suchte er danach jedoch einen sicheren Ort. Er bemühte sich um einen Wohnsitz in der Schweiz und um die österreichische Staatsbürgerschaft.

In Kanada kündigte er seine Übersiedlung nach Zürich an. Die Bürokratie sei zu stark, die Steuer zu hoch, klagte er. In der Schweiz könne man mit der Regierung handeln, «Geld fliesst wie Wasser und folgt dem Weg des geringsten Widerstands». In Kanada sorgte die Steuerflucht lange für Empörung: Zwar habe Stronach 1994 die kanadische Versicherungskarte und seinen Fahrausweis abgeben müssen, schrieb der «Ottawa Citizen» zehn Jahre danach, dafür habe er sich Steuern für ein Einkommen von 200 Millionen Dollar erspart.

Die «gut geführte» Schweiz

Heute lobt Stronach in seiner Revolutionsbroschüre die Schweiz als Vorbild für Österreich weil sie «unabhängig und gut geführt ist». Es gibt aber keine Hinweise, dass er tatsächlich in Zug gelebt hätte oder dort lebt. Zwar hat er ein Türschild, aber seine Wohnung liegt im Hinterhof eines Einkaufszentrums und sieht nicht gerade nach dem Domizil eines Milliardärs aus.

Steuerexperten meinen, dass Stronach eindeutig in Österreich steuerpflichtig wäre. Bis jetzt musste der Milliardär jedoch keine Ermittlungen fürchten, er hatte seinen «politischen Streichelzoo», wie es sein Biograf schreibt, und gute Verbindungen zu allen Parteien. Mit seinem Einstieg in die Politik könnte sich das ändern. Stronach dürfe sich die Politik nicht kaufen, warnte die ÖVP-Politikerin Maria Fekter. Sie ist auch Österreichs Finanzministerin.