Schweizer Stiftung im Visier der österreichischen Justiz

29. Mai 2016

Eine wertvolle Wiener Immobilie wurde von der Stadt an die Schaffhauser Stiftung Rising Tide verkauft – zu einem Spottpreis. Jetzt werden schwere Anschuldigungen laut.

Sie wurde als Eliteinternat mit «einzigartiger Mischung aus Wissenschaft, Musikund Kunsterziehung» gegründet: die Amadeus International School Vienna. Für die Erziehung zahlen Eltern aus Russland oder Asien bis zu 43 000 Euro pro Jahr. Aber nicht wegen der ausserordentlichen Leistungen ihrer Lehrer oder Schüler ist die Wiener Nobelschule jetzt in die Schlagzeilen geraten: Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Korruption und der Geldwäsche. Oppositionsparteien vermuten ein schmutziges Geschäft der Stadtregierung mit dubiosen Investoren und Off-Shore-Firmen.


Schule im Grünen mit vielen Problemen: Amadeus Vienna in der alten Semmelweisklinik in Wien. Foto: B. Odehnal

Besitzer des umstrittenen Elite-Internats ist die Rising Tide Foundation mit Hauptsitz in Schaffhausen. Als Zweck gibt die Stiftung Unterstützung von Krebsforschung an sowie von Ideen des klassischen Liberalismus wie «weniger Staat, weniger Regulierung».

Recherchen zeigen aber, dass sie nicht nur gemeinnützig tätig ist: Verbindungen gibt es zur Tea Party in den USA, zu neoliberalen Thinktanks in Österreich und zu Briefkastenfirmen auf den Cayman Islands.

Ohne ersichtliche Geschäftstätigkeit wurden Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe gemacht. Wo kommt das Geld her, wie wird es verwendet? Diese Fragen stellen sich die Ermittler. Schon der Kauf von Amadeus Vienna wirft Fragen auf: Die Schule gehört einem Betreiber namens Nobel Education Network NEN, der in London registriert ist. Als Besitzer von NEN tritt nicht Rising Tide Schaffhausen auf, sondern Rising Tide Asia in Singapur.

Es geht um eine der wertvollsten Immobilien Wiens

Dass eine Schweizer Stiftung eine Tochter im Ausland gründet, ist nicht illegal. Aber auch nicht üblich. Die eidgenössische Stiftungsaufsicht liess die Expansion nach Asien nur mit Auflagen zu, Rising Tide musste sich rechtfertigen. In der Begründung werden «Beratungstätigkeiten» und «karitative Zwecke» angeben. Nicht aber der Kauf einer Nobelschule. Rising Tide Asia kaufte den Schulbetreiber aber auch nicht direkt, sondern über eine Tochtergesellschaft namens Waves. Warum dieser Aufwand, diese Verschachtelung? Rising Tide schweigt. Ob der Kauf legal war, wird derzeit von der eidgenössischen Stiftungsaufsicht in Bern abgeklärt.

Mehr als nur Abklärungen laufen in Österreich: Es geht um den Verdacht des schweren Betrugs, Amtsmissbrauchs und der Geldwäsche. Und es geht um eine der wertvollsten Immobilien der Stadt: Im Frühjahr enthüllte die «Wiener Zeitung», dass die historischen Pavillons und der Park einer alten Geburtenklinik, in der die Amadeus International School residiert, von der Gemeinde Wien deutlich unter Marktwert verkauft worden war. 14,2 Millionen Euro verlangte die Stadt für ein Areal, das laut Experten bis zu 100 Millionen wert sei. Käufer war 2012 eine Investorengruppe rund um den in Singapur lebenden Multimilliardär Richard Chandler.

Schmiergeld an die Regierungspartei SPÖ geflossen?

Er nennt sich Philanthrop, machte sein Vermögen mit Immobilien und Finanzgeschäften in Russland. In der Schweiz wurde gegen seine Firmen wegen illegaler Bankgeschäfte ermittelt. In westlichen Geheimdienstberichten, die der SonntagsZeitung vorliegen, wird Chandler als Agent des russischen Nachrichtendienstes FSB beschrieben.

Der Immobiliendeal beschäftigt heute Medien und Oppositionsparteien in Österreich. Sie vermuten, dass Schmiergeld an die Regierungspartei SPÖ geflossen sei und dass die Pavillons bald als Luxuswohnungen teuer verkauft werden könnten. Amadeus Vienna war Thema im Wiener Gemeinderat und einer parlamentarischen Anfrage. Justizminister Wolfgang Brandstetter bestätigt eine Anzeige: Die Staatsanwaltschaft gehe den Vorwürfen nach.

Statt 500 Schüler habe Amadeus Vienna nur 180

Rising Tide sei von Ermittlungen in Österreich nicht betroffen, sagt hingegen John Forsyth. Er lebt in Singapur, ist Direktor von Nobel Education Network und Rising Tide Asia und der einzige Mensch aus dem Umfeld von Rising Tide, der auf Fragen konkrete Antworten gibt: Rising Tide habe erst im November 2014 den Schulbetreiber NEN von Richard Chandler gekauft. Zwischen Chandler und Rising Tide gebe es keine Beziehungen. NEN besitze nur einen kleinen Anteil an der Wiener Immobilie, und überhaupt sei die Schule «ein Erfolg, in den wir weiter investieren».

Nicht alle Darstellungen Forsyths halten allerdings einer Überprüfung stand: Ein weiterer Direktor von Nobel Education Network bestätigte der SonntagsZeitung, dass er sowohl für Chandlers Firma Clermont als auch für Rising Tide tätig ist. Und von einem «Erfolg» der Wiener Schule zu sprechen, sei lächerlich, sagt in Wien ein Mitarbeiter von Amadeus Vienna, der anonym bleiben will: Das Schulpersonal wechsle ständig, die Schülerzahl bleibe weit unter den Erwartungen. Statt der erwarteten 500 habe die Nobelschule heute lediglich 180 Internatsschüler.

Vandalismus und Drohmails

In den vergangen Wochen kam noch ein Problem mit einem ehemaligen Manager von Nobel Education Network dazu: Weil der Mann die Schule offenbar gern übernehmen würde, randalierte er auf dem Gelände, stellte Zäune auf, sprayte an Wände. Die Lehrer und die Eltern sind verunsichert.

Es habe Vandalismus und Drohmails gegeben, schreibt der Schuldirektor in einem internen Mail, das der SonntagsZeitung vorliegt: Der Spielplatz werde geschlossen, das Schulgelände von einer privaten Sicherheitsfirma bewacht: «Wir können diese Einmischung einer gestörten Person nicht erlauben.»

John Forsyth bezeichnet Amadeus Vienna als «unser Flaggschiff», an einen Verkauf sei nicht gedacht. Das sehen manche in Österreich anders: Eine Tiroler Investorengruppe hatte Nobel Education Network als Betreiber ihrer Privatschule auserwählt, die Verträge waren fast fix, die Werbebroschüren gedruckt. Nach der Übernahme von NEN durch Rising Tide platzte der Deal. Der Sprecher der Tiroler Investoren, Leo Pertl, bekam den Eindruck, dass Europa für die Schweizer Eigentümer nicht mehr interessant sei: «Die haben ihren Schwerpunkt im asiatischen Raum.»