Stadler-Zug ohne Passagiere

8. November 2012

Stadler Rail lieferte einem jungen tschechischen Bahnunternehmen fünf Züge. Doch fehlende Dokumente verhinderten die gross angekündigte erste Fahrt.

Es sollte ein grosses Ereignis werden. Eine Demonstration, was moderne Schweizer Eisenbahntechnik in Kombination mit tschechischem Service leisten kann. Dazu lud die Firma Leo Express für gestern Mittwoch nicht nur Journalisten, sondern auch zahlendes Publikum zu einer Sonderfahrt im neuen Triebzug der Firma Stadler Rail von Prag über Pardubice und Olomouc nach Ostrava. Die Einladungen waren verschickt, der Fahrplan organisiert. Nur ein kleines Detail fehlte: die Genehmigung des Verkehrsministeriums für die eleganten schwarz-goldenen Züge.

Foto: Leo Express

Und so musste das kleine Bahnunternehmen, das mit Schweizer Qualität wirbt, die Probefahrt zähneknirschend nur wenige Stunden vor der geplanten Abfahrt wieder abblasen. Die Schuld dafür gibt man den Schweizer Bahnbauern: Stadler Rail habe nicht alle notwendigen Dokumente rechtzeitig geliefert, sagt der Sprecher von Leo Express, Petr Kopacek, zum TA. Deshalb dürften die Züge noch nicht mit Passagieren fahren.

Der Sprecher von Stadler Rail, Tim Büchele, weist den Vorwurf aus Prag zurück. Vertraglich sei die Abnahme der Züge erst für 26. Dezember 2012 vereinbart. Derzeit fehlten noch die letzten Details bei der Dokumentation der Zugsicherung, die Zulassung der ersten Züge sei nur mehr eine Frage von Tagen.

Konkurrenz für die Staatsbahn

Leo Express wurde vom 28-jährigen Prager Leoš Novotny gegründet, der mit den neuen Stadler-Triebzügen des Typs Intercity-Flirt demnächst eine schnelle Verbindung zwischen Prag und Ostrava in Nordmähren anbieten will. Novotny macht damit nicht nur den PendolinoZügen der tschechischen Staatsbahn Konkurrenz, sondern auch dem ersten privaten Bahnunternehmen in Tschechien: Die gelben Züge der Firma Regiojet verkehren seit einem Jahr zwischen Prag und Ostrava, das Unternehmen hat dazu gebrauchte Schnellzugwagen aus Österreich gekauft. Demnächst wird die Flotte von Regiojet um ältere ErsteKlasse-Wagen der SBB erweitert.

Leoš Novotny setzt hingegen auf die brandneuen Fahrzeuge von Stadler Rail. Die seien zwar in der Anschaffung teurer, aber in der Wartung viel billiger, erklärte er dem TA. Die Präsentation des Schweizer Zugs am Mittwoch wurde gross von Leo Express beworben, entsprechend gross war nach der Absage deshalb auch die Häme in tschechischen Zeitungen und bei der Konkurrenz. Die Staatsbahn bot jenen Reisenden, die schon ein Billett für den Stadler-Zug gekauft hatten, einen Platz in ihrem Pendolino an und verkaufte das medial als «Hilfe für gestrandete Passagiere».

Leo Express will die Präsentationsfahrt nun bei nächster Gelegenheit nachholen. Der reguläre Betrieb soll mit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember beginnen. Aus Sicht von Stadler Rail stehe dem nichts im Wege, sagt Sprecher Tim Büchele. Alle fünf bestellten Züge seien bereits in Tschechien, obwohl der fünfte Zug erst im Februar 2013 hätte geliefert werden müssen: «Wir rechnen mit der Abnahme aller Züge durch die Behörde in den nächsten Wochen.»