Stirb langsam - auf die ungarische Art

25. Juni 2012

Hollywood hat Budapest als Drehort entdeckt und einige Überraschungen erlebt: horrende Rechnungen, gestohlene Autos - und einen beherzten Einsatz der ungarischen Polizei.

Bernhard Odehnal, Budapest

Leicht hat es der Mann ja wirklich nicht im Leben: Bruce Willis musste schon mutterseelenallein gegen Geiselnehmer in einem Hochhaus, korrupte Söldner auf einem Flughafen, Terroristen in einer Schule und kriminelle Hacker im Internet kämpfen. Jetzt, in der fünften Folge der erfolgreichen Filmserie «Die Hard» (Stirb langsam), bekommt er es mit superbösen Russen zu tun. Aber weil Moskau weit weg, meistens kalt und immer unfreundlich ist, verlegte die Produktionsfirma den Dreh nach Budapest. Und bekam es dort mit einem Gegner zu tun, den nicht einmal Bruce Willis in Schach halten kann.

Die Budapester Stadtverwaltung unter ihrem Oberbürgermeister Istvan Tarlos nahm die Amerikaner gerne auf und stellte ihnen Drehgenehmigungen für praktisch jeden Winkel der Innenstadt aus. Anschliessend aber wurde abgerechnet und für jeden Parkplatz, jede Strassensperre, jeden Sicherheitsposten kassiert. Tarlos’ Stadtregierung soll 155 Millionen Forint (rund 650 000 Franken) von der Hollywood-Produktion erhalten haben, berichtet ein ungarisches Internet-Portal. Darin sind aber die Kosten für private Wachdienste, Hubschrauber, militärisches Material der ungarischen Armee und das Catering durch eine ungarische Luxus-Lebensmittelkette nicht eingerechnet. Vermutlich haben Willis und sein Team für den Ungarn-Ausflug insgesamt mehr als zwei Millionen Franken bezahlt.

Brad Pitts Waffenlager

Budapest ist eben ein hartes Pflaster, diese Erfahrung machten vor Willis schon seine Filmkollegen Nicolas Cage und Brad Pitt. Cage drehte in Ungarn Teile des Fantasiefilms «Season of the Witch», und während die Dreharbeiten ziemlich reibungslos verliefen, machte die Filmcrew abseits des Sets Bekanntschaft mit dem ungarischen Alltag. Ihre Autos wurden gestohlen, ihre Wohnungen wurden ausgeräumt, manche sogar mehrmals während des mehrwöchigen Drehs. Viele verliessen die ungarische Hauptstadt erschöpft und entnervt. Einen Dreh in Ungarn würde er sich nicht mehr antun, sagt ein damaliger Mitarbeiter. Wo ist nur Bruce Willis, wenn man ihn wirklich braucht?

Noch gefährlicher kann es in Ungarn werden, wenn die Polizei eingreift. Im vergangenen Herbst stürmte ein Kommando des Terrorismus-Präventionszentrums (TEK) ein Lagerhaus nahe des Budapester Flughafens und beschlagnahmte über einhundert Feuerwaffen, die der TEK-Chef stolz den Medien präsentierte. Etwas später stellte sich heraus, dass die Waffen harmlos waren und für Brad Pitt bestimmt waren, der zu jener Zeit in Budapest gerade einen Zombiefilm namens «World War Z» drehte. Der beherzte Antiterroreinsatz kostete das Filmteam viel Zeit und Geld und machte Pitt «sehr wütend», wie eine US-Zeitung schrieb.Dabei könnten die Männer des TEK selbst aus einem US-Actionfilm stammen: schwarze Uniformen, schwarze Masken, schwarze Helme, Flak-Jackets, schwere Waffen. Gegründet wurde die Einheit von Regierungschef Viktor Orban, sie ist nur ihm und dem Innenminister unterstellt. In Ungarn heisst die geheimnisvolle Einheit deshalb auch Prätorianergarde oder Orbans neue Geheimpolizei. Ein Mann wie Bruce Willis, so viel steht fest, hätte so eine Aufrüstung sicher nicht nötig. Ein Mann wie Bruce Willis erledigt seine Gegner ganz allein und flüstert dazu lapidar: «Yippie ya yeah Schweinebacke.»Budapests Bürgermeister war selbst für einen hartgesottenen Actionhelden eine Nummer zu gross. Istvan Tarlos, ein Parteifreund Orbans, liess sich mit dem Lächeln des Siegers an der Seite von Willis fotografieren. Vermutlich kurz nachdem er den Check über 155 Millionen Forint empfangen hatte. Für Hollywood mag es eine Lappalie sein. Für die Ungarn ist es ein Vermögen, und Budapester Blogger fragen, ob die Stadtverwaltung mit dem Geld jetzt wenigstens die Trolleybusflotte erneuern werde. Denn wer die verrosteten, klapprigen Busse aus den 60er-Jahren für seinen Weg zur Arbeit oder Schule benutzen muss, für den heisst es jeden Tag: Stirb langsam.