Vor den verschlossenen Türen der Swiss Life

16. Juli 2012

Der Finanzdienstleister AWD ist mit Klagen von Kunden in Österreich und Deutschland konfrontiert. Eigentümerin Swiss Life blockt Fragen ab.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Etwas ratlos steht der Reporter vor der Zentrale von Swiss Life in Zürich. Hinein darf er nicht. Ein Manager der Versicherung kommt, sieht die Kamera und geht wieder. Alle Pressesprecher sind angeblich in einem Workshop. Das Team des österreichischen Fernsehens muss wieder gehen, ein Interview hat es nicht bekommen.

Die Szene ist Teil einer 40-minütigen Dokumentation über den Finanzdienstleister AWD, die Freitagabend im ORF lief. Darin kommen ehemalige Kunden zu Wort, die schildern, wie sie von AWD-Beratern aus ihrem Freundeskreis zu riskanten Investments verleitet wurden und ihr Vermögen verloren. Der Wiener Verein für Konsumenteninformation (VKI) glaubt, dass diese Verluste nicht durch Irrtum einzelner Berater, sondern «systematische Fehlberatung» entstanden seien, und hat beim Handelsgericht Wien fünf Sammelklagen gegen AWD eingebracht. Der Streitwert liegt bei 40 Millionen Euro. AWD dementiert den Vorwurf.

In der Sendung «Fast ganz sicher» versuchte ORF-Reporter Eduard Moschitz von AWD und Swiss Life Stellungnahmen zu den Vorwürfen zu bekommen. Er hätte die Schweizer Eigentümer gerne gefragt, ob sie vor fünf Jahren wussten, was sie da kauften, wie sie mit den Problemen von AWD heute umgehen, und warum sie der Firma jetzt einen neuen Namen geben wollen, sagt Moschitz zum TA. Doch in mehreren Mails und Telefonaten wurde er stets an AWD Wien verwiesen. Der Sprecher von Swiss Life habe zwar niemals abgesagt, aber auch nie einen konkreten Termin für ein Gespräch genannt, sagt Moschitz. So filmte er lediglich seinen gescheiterten Besuch der Zürcher Zentrale.

Bei Swiss Life ist man über die Reportage gar nicht erfreut. «Herr Moschitz lügt», sagt Unternehmenssprecher Christian Pfister auf Anfrage und präzisiert: «Der Vorwurf, dass wir uns verstecken würden, ist frei erfunden. Wir standen dem Journalisten stets für seine Recherchen zur Verfügung.» Pfister wirft dem Reporter vor, er sei mit Vorurteilen an die Recherche gegangen und habe einen Bericht des deutschen Fernsehens kopiert: «Und dann stand er plötzlich unangemeldet vor unserer Tür - eine billige Masche».

Moschitz ist nicht der Erste, der von Swiss Life keine Auskunft erhielt. Auch der «Tages-Anzeiger» machte bei Recherchen über AWD die Erfahrung, dass die Zürcher Versicherer stets auf den Sprecher von AWD Österreich verwiesen. «Jeder Sprecher von AWD spricht auch im Namen der Gruppe», erklärt Pfister, «die Journalisten werden von den lokalen Kollegen kompetent betreut.»

Kein Auftritt vor der Kamera

Auf eine Anfrage mit 30 Punkten des ORF antwortete der österreichische AWD-Sprecher Hansjörg Nagelschmidt nur allgemein und per Mail. Vor die Kamera wollte er nicht. «Das hätte bei einem so detaillierten Fragenkatalog keinen Sinn gemacht», sagt Nagelschmidt zum TA, «das war mit dem Reporter abgesprochen.» Moschitz sagt, dass der AWD-Sprecher bei ihren Telefonaten nur auffallend laut gelacht, aber keine Auskünfte gegeben habe. Von einem anderen AWD-Mitarbeiter in Linz erhielt er nur die Aufforderung per SMS: «Belästigen Sie mich nicht weiter.»

Der VKI hat die fünf Sammelklagen gegen AWD Österreich im Namen 2500 ehemaliger AWD-Kunden eingebracht. 2300 weitere Kunden haben sich als Privatkläger angeschlossen. Derzeit entscheidet das Gericht noch über einen Einspruch von AWD, dass die Prozessfinanzierung durch eine deutsche Firma auf Basis von Erfolgsprovisionen unzulässig sei. Die erste Instanz hat den Einspruch abgewiesen. AWD will das Urteil weiterziehen. In Deutschland läuft seit Juni ein Prozess gegen AWD in Hannover mit 800 Klägern.

Für den Wiener Konsumentenschützer Peter Kolba liegt es nun an Swiss Life, den Konflikt um AWD zu beenden. Wenn die Schweizer Vergleiche mit den Klägern wollten, so Kolba, sollten sie sich besser beeilen. «Wir sehen uns jeden einzelnen Fall gerne an», sagt Swiss Life-Sprecher Pfister, «aber wir akzeptieren nicht den Vorwurf der systematischen Fehlberatung.»