Wenn der Pressesprecher zweimal klingelt

2. November 2012

Österreichische Politiker intervenieren gerne bei den Medien. Sie halten das für selbstverständlich.

Ein Pressesprecher ruft beim Fernsehen an. Er möchte, dass sein Chef besser dargestellt und der Parteitag der Opposition ignoriert wird. Die Redaktion macht das öffentlich, der Pressesprecher verliert seinen Job. Ereignet hat sich dieser Vorfall unlängst in Bayern. Besonders erstaunt ist man darüber im benachbarten Österreich: nicht etwa über die Anmassung des Pressesprechers, sondern darüber, dass er deswegen zurücktreten musste.

In Österreich sind Interventionen von Politikern oder ihren Sprechern bei Medien so verbreitet, dass nur wirklich unverschämte Einmischungen an die Öffentlichkeit kommen. Und selbst dann haben sie keine Konsequenzen. Mit einer Ausnahme: Als die sozialdemokratische Regierungspartei den Jungpolitiker Niko Pelinka als rechte Hand des ORF-Generaldirektors installieren wollte, rebellierten die Redaktoren. Die SPÖ ihrerseits betrachtete die Personalbesetzung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als ihr gutes Recht. Denn beim ORF geht es nicht darum, ob die Politik interveniert, sondern darum, dass sich die Begehrlichkeiten der Koalitionsparteien halbwegs die Waage halten. Der Proporz funktioniert seit Jahrzehnten bestens.

Störungen im Gleichgewicht des Schreckens gab es in der blauschwarzen Koalition unter Wolfgang Schüssel. Die intervenierte so heftig, dass im ORF das Gerücht die Runde machte, Schüssels rechte Hand, Wilhelm Molterer, habe eine direkte Telefonverbindung zur Chefredaktion installiert. Das «Moltofon» wurde zum Running Gag im politischen Kabarett. Auch das jüngste Beispiel politischer Einmischung betrifft die ÖVP: Die Tageszeitung «Der Standard» berichtet, dass in der Kultsendung «Wir sind Kaiser» der bürgerliche Abgeordnete Werner Amon von «Kaiser» Robert Palfrader so sehr in die Mangel genommen worden sei, dass er die Audienz vorzeitig abgebrochen habe. Nach Intervention seines Pressesprechers sollen die für Amon besonders peinlichen Szenen vor Ausstrahlung der Sendung herausgeschnitten worden sein. Die Grünen kritisieren, derzeit werde besonders heftiger Druck auf den ORF ausgeübt. Die Gästelisten politischer Diskussionssendungen würden mehr von den Parteizentralen als von der Redaktion bestimmt.

Meist sind solche aufwendigen Eingriffe aber gar nicht notwendig. In den Studios der neun Bundesländer haben die Landespolitiker ihnen genehme und wohl gesonnene Journalisten installiert. Eine linientreue Berichterstattung ist garantiert. Wer sich besonders gut benimmt, kann mit einer Beförderung in die Chefetage des ORF rechnen. Bei privaten Medien wird weniger direkt, dafür mehr über den Anzeigenmarkt interveniert. Die neue Rechercheplattform Dossier.at enthüllte unlängst, dass die beiden Gratisboulevardzeitungen «Österreich» und «Heute» vor allem von Inseraten der sozialdemokratisch regierten Gemeinde Wien und Staatsbetrieben unter Einfluss der SPÖ profitieren. Ihre Berichterstattung zeichnet sich nicht gerade durch eine kritische Haltung zur Wiener Sozialdemokratie aus. Im Arbeitsvertrag mussten Journalisten bei «Heute» unterschreiben, dass sie auf das Wohlwollen der Inserenten Rücksicht nehmen.

Für seine Interventionen berüchtigt war ein Wiener Stadtrat, der vor einigen Jahren zum Minister aufstieg. Als ihn in seiner neuen Funktion ein Bericht in einer grossen Tageszeitung störte, tauchte er persönlich in der Redaktion auf und verlangte die sofortige Entlassung der für den Artikel verantwortlichen Journalistin. Erfolg hatte Werner Faymann damit nicht, geschadet hat ihm der plumpe Interventionsversuch aber auch nicht. Heute ist der Mann Bundeskanzler der Republik Österreich.