Zürcher Anwalt im Visier von US-Ermittler

14. Mai 2018

Der Jurist Stephan Roh mit Russland-Verbindungen wurde in New York von Mitarbeitern Robert Muellers befragt. Er sieht in Russia-Gate eine Verschwörung – gegen Donald Trump.

Es ist der Albtraum von Amerika-Reisenden: Bei der Passkontrolle am New Yorker Flughafen wird man von schwer bewaffneten Beamten des FBI aus der Warteschlange geholt, in einen Verhörraum gebracht und stundenlang befragt. Genau das erlebte im vergangenen Oktober der Schweizer Stephan Roh. Das Verhör führten in diesem Fall jedoch nicht nur FBI-Agenten, sondern auch Mitarbeiter des Sonderermittlers Robert Mueller. Er soll mögliche Verbindungen des Wahlkampfteams von Donald Trump nach Russland aufklären.


Stephan Roh (ganz links) auf dem Podium des Valdai Clubs in Moskau, 2016.
Ganz rechts: Joseph Mifsud. Foto: Valdai Club

Es ist die zweite Swiss Connection, die in diesem Zusammenhang bekannt wird. Mueller hatte im letzten Herbst auch Auskunft von Novartis verlangt. Der Pharmakonzern hatte 1,2 Millionen Dollar an Trumps persönlichen Anwalt Michael Cohen bezahlt.

Doch noch mehr als für die Zahlungen der Basler scheint sich der Sonderermittler für den Wirtschaftsanwalt aus einer Seitengasse der Zürcher Bahnhofstrasse zu interessieren.

Anders als bei Novartis begnügten sich die Ermittler im Fall Roh nicht mit einer einzigen Befragung. Der Betroffene selber beschreibt, wie er und seine Familie während ihres gesamten Aufenthalts in New York von FBI-Beamten «begleitet, beschattet und abgehört» wurden, wie sie im Hotel in Extrazimmern untergebracht wurden, vor denen Sicherheitsleute patrouillierten.

«Schmutz über Hillary Clinton»

Der 50-jährige Stephan Roh stand in Verbindung mit einem Russen und einem Malteser. Diese beiden Männer sollen dem Wahlkampfteam von Donald Trump gehackte Mails mit «Schmutz über Hillary Clinton» angeboten haben. Eine Dokumentation der BBC nennt Roh deshalb den «dritten Mann». Roh entgegnet, er sei unfreiwillig in die Affäre hineingezogen worden und habe grossen Schaden erlitten. Das FBI habe Informationen über die Russland-Affäre gesucht, «die es gar nicht gibt».

In diesen Tagen bringt Roh im Eigenverlag gemeinsam mit einem Mitarbeiter das englischsprachige Buch «The Faking of Russia-Gate» heraus. Darin legt er seine Version dar: Die Darstellungen in der westlichen Presse seien ungenau, die angeblichen Russland-Verbindungen inszeniert worden, um Trump zu schaden. Er beschreibt auch das Verhör durch Muellers Team in New York.

Wie gerät ein in der Schweiz wenig bekannter Anwalt ins Visier des US-Sonderermittlers? Während des US-Wahlkampfs im Frühjahr 2016 steckte ein Berater des Trump-Teams namens George Papadopoulos seine Fühler nach Russland aus und kündigte sogar ein mögliches Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin an. Papadopoulos wird dazu im Januar 2017 vom FBI befragt, im Juli wegen Falschaussagen verhaftet und soll seither mit Sonderermittler Mueller kooperieren. Seine Aussage unter Eid wurde öffentlich: Darin schildert der heute 29-Jährige, wie er im März 2016 einen Professor aus Malta namens Joseph Mifsud traf, der von seinen guten Kontakten ins russische Aussenministerium erzählte. Einen Monat später habe ihm Mifsud aus russischen Quellen «Tausende Mails mit Schmutz über Hillary Clinton» angeboten.

Zwischen diesen Treffen lag eine Reise Mifsuds zur «Waldai-Konferenz» nach Moskau, die unter der Schirmherrschaft Wladimir Putins steht. Auch Roh nahm teil, er sass mit dem Malteser auf einem Podium über Energiepolitik. Mifsud war Berater für Rohs Kanzlei und unterrichtete an einer italienischen Privatuniversität, die zum Teil einer Firma Rohs gehört. Auf der Konferenz trafen die beiden Iwan Timofeew, den Programmleiter eines Thinktanks, der mit dem russischen Aussenministerium verbunden ist. Per Mail stellte Mifsud den Kontakt zwischen Timofeew und Trumps Mitarbeiter Papadopoulos her.

Welche Rolle spielte Roh? Er hat sowohl geschäftlich als auch privat deutlich bessere Verbindungen nach Russland als Mifsud. In US-Blogs über die Trump-Russland-Affäre tauchten Vermutungen auf, Roh könnte hinter der Verbindung Timofeew – Mifsud – Papadopoulos stehen. Die Befragung und die Beschattung Rohs in New York deuten darauf hin, dass auch Sonderermittler Mueller diesem Verdacht nachgeht. Wird in den USA gegen Roh ermittelt? Muellers Sprecher Peter Carr antwortet, dass «wir jeglichen Kommentar zu laufenden Ermittlungen ablehnen».

Die Fragen dieser Zeitung, ob er etwas mit den gehackten Mails zu tun habe oder mit den Versuchen, Kontakte zwischen Vertretern der russischen Regierung und dem Team Trump aufzubauen, beantwortet Roh mit einem klaren «Nein». In seinem Buch kommt er zum Schluss, dass Papadopoulos «ein Geheimagent war, der in die Trump-Kampagne eingeschleust wurde». Als Drahtzieher vermutet Roh das FBI und private Ermittler im Dienste von Hillary Clintons Wahlkampfteam.

Der Name Roh war bisher eher in der Modeszene bekannt. Stephan Rohs Frau stammt aus Russland und gründete nach dem Studium in Bern das Label «Rohmir». Sie führt Boutiquen in Zürich, Berlin und London, zu ihren Kunden zählen Paris Hilton und die britische Premierministerin Theresa May. Vor etwa zehn Jahren kauften die Rohs das Schloss Inchdrewer in Schottland und erhielten die Titel eines Barons und einer Baroness «of Inchdrewer». Die Boutique im Londoner Quartier Mayfair gab Frau Roh unlängst auf, wegen der «unrealistisch teuren Miete», wie sie erklärt.

International vernetzt

Dabei wirken die Rohs so, als würde Geldmangel kein echtes Problem sein. Stephan Rohpendelt zwischen Wohnsitzen in der Schweiz und Monaco, seine Kanzlei hat neben Zürich Niederlassungen in Zug, Berlin, London und Hongkong. Roh kontrolliert oder kontrollierte Firmen in der Schweiz, in London, auf den Britischen Jungferninseln. Geschäftspartner war die nach der Enthüllung der Panama Papers aufgelöste Treuhandkanzlei Mossack Fonseca.

Über seine Londoner Firma Drake Global besitzt Roh Anteile an der römischen Privatuniversität «Link Campus», in die er laut italienischen Medien Millionen investierte. Er wolle aus dem alten Palast nahe des Vatikans die «attraktivste Campus-Universität der Welt machen», schreibt Roh. An der Link-Universität studierte 2016 die Russin Olga P., die als weitere Verbindung zu Trump-Berater Papadopoulos in den Ermittlungen des FBI eine Rolle spielt. An der Link-Universität unterrichtete auch Papadopoulos’ Kontaktmann Joseph Mifsud. Der Professor aus Malta gab der italienischen «La Repubblica» ein Interview. Den Vorwurf, er habe Mails mit Schmutz über Clinton angeboten, bezeichnete er als «Nonsens». Seither ist er spurlos verschwunden. Einträge über ihn im Internet wurden gelöscht. Mifsud sei «weggeräumt» und angewiesen worden, zu schweigen, schreibt Rohin seinem Buch.

Und dann wundert sich der Schweizer Anwalt, dass er beim Verhör durch Muellers Team im Oktober 2017 nicht zu Mifsud befragt wurde. Das FBI habe Fragen zum Professor vermeiden wollen. Roh schliesst auf eine weitere Verschwörung: Vermutlich sei auch sein alter Bekannter Mifsud kein russischer Spion, sondern «part of the game», schreibt er in seinem Buch: «Wir müssen annehmen, dass der Professor höchstwahrscheinlich in engem Kontakt mit westlichen Geheimdiensten ebenso wie mit dem Clinton-Netzwerk war – und dass er heute voll kooperiert...»