Malträtierte Vogelspinnen

30. Oktober 2012

Österreichs Rechtspopulisten versuchen sich als Videokünstler.

Tiefe Stimmen summen bedrohlich, die dunkle Silhouette einer Stadt taucht auf dem Bildschirm auf, Blitze zucken, Donner grollt, Glocken läuten. Hier soll dem Betrachter Dramatik vermittelt werden. Nicht gerade subtil, eher mit dem Holzhammer. Und wer es nicht gleich versteht, dem wird mit einem wackeligen Insert, das an die Ästhetik der TV-Serie «The Munsters» erinnert, eingetrichtert: «Das hat uns die Nagl-ÖVP eingebrockt.»

Wir sind im Wahlkampf. Wir sind in Graz. Kommenden Sonntag wählt die Hauptstadt der Steiermark ein neues Stadtparlament, nachdem die schwarzgrüne Koalition unter Bürgermeister Siegfried Nagl vorzeitig gescheitert ist. Spitzenkandidat der rechtspopulistischen FPÖ ist ein Mann mit dem urgermanischen Namen Mario Eustacchio. Er prangert in einem dreieinhalb Minuten langen Video die «sieben Todsünden» des Bürgermeisters an: Gier, Völlerei, Lust, Eitelkeit, Neid, Faulheit, Zorn. Jede Sünde wird von Blitzen, Donnergetöse und Laserlichtgewitter begleitet. Kein Zweifel: Graz ist dem Untergang geweiht.

Regie bei dieser Rocky Horror Picture Show, die auf der Homepage der FPÖ Graz und auf Youtube zu sehen ist, soll der Schweizer SVP-Werber Alexander Segert geführt haben, berichten steirische Medien. Segert hatte der FPÖ sein Anti-Minarett-Spiel zur Verfügung gestellt, das im steirischen Wahlkampf 2010 für viel Aufregung sorgte, den Freiheitlichen aber kaum Stimmengewinne brachte.

Die Ästhetik der «Sieben Todsünden» ist so trashig, dass sie beinahe das Zeug zum Kultstatus hätte. Aber eben nur beinahe. Das grösste Problem des Videos ist sein Hauptdarsteller. Eustacchio wirkt weder dämonisch noch wie eine Lichtgestalt in finsteren Zeiten. Er sieht wie ein biederer Bankbeamter aus. Und spricht auch so. Seine Kommentare zu den Todsünden sind weder lustig noch ärgerlich, sondern einfach langweilig. «So wird das nichts», möchte man Segert zurufen, «versuch es noch einmal. Mit einem anderen Kandidaten.»

Zum Beispiel mit Kurt Scheuch. Die Rolle eines Fürsten der Finsternis würde dem Kärntner viel besser passen. Schon aufgrund seiner Biografie: Als ehemaliger Kofferträger Jörg Haiders war der Kärntner Freibauer für die Spaltung der Partei verantwortlich. Heute ist er Parteichef der FPK (die Kärntner Variante der FPÖ) und Nachfolger seines zu bedingter Haft in erster Instanz verurteilen Bruders Uwe in der Kärntner Landesregierung.

Kurt hat also viel zu tun und dennoch Zeit, einen Kurzfilm zu produzieren. Der zeigt ihn erst als carinthische Variante von James Bond. Mit Sonnenbrille und Anzug im Dienstwagen. «Furchtlos» wird dazu in Zitterschrift eingeblendet. Furchtlosigkeit soll wohl auch die folgende Einstellung suggerieren: Scheuch in seinem Regierungsbüro, ohne Anzug, aber mit Würgeschlange um den Hals und Vogelspinne auf der Schulter.

Nun haben sich die Kärntner wohl oder übel an die Eskapaden von Haiders Erben gewöhnt. Scheuchs Videoauftritt lässt sie (und den Rest Österreichs) aber doch wieder einmal ratlos zurück: Was will der schreckliche Kurt wohl damit sagen?

Scheuchs Affinität zu Reptilien ist bekannt: Jenen Richter, der seinen Bruder verurteilte, soll er «Kröte» genannt haben. Dafür wird er demnächst selbst vor Gericht stehen. Sein Video endet mit dem Resümee «RespekTiere», laut Scheuch soll es ein Aufruf zum Tierschutz sein. Passender wäre das Insert «MalträTiere», denn keine noch so gefährliche Giftschlange hat es verdient, auf Scheuchs Schulter gelegt zu werden.

Malträtiert wird auch der Betrachter, der 73 Sekunden lang dem breiten Grinsen des Kärntners ausgesetzt ist. Scheuch hält das für Kunst: Seinen Parteifreunden habe das Video gut gefallen. Er kündigt weitere Videoproduktionen unter seiner Regie an, er habe noch «viele schräge Ideen». Die malträtierten Tiere stammen aus einem Klagenfurter Reptilienzoo. Sie sollen absolut ungefährlich sein.