Das «Negerkonglomerat» war selbst der eigenen Partei zu viel

8. April 2014

Der österreichische EU-Abgeordnete Andreas Mölzer hetzte gegen die EU. Jetzt muss er auf die Spitzenkandidatur für die FPÖ bei der Europawahl verzichten.

Ein Veranstaltungssaal in Wien, Mitte Februar 2014: Die extrem rechte FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz stellt ihr Buch «Wie das Projekt EU Europa zerstört» vor. Auf dem Podium sitzt neben Rosenkranz auch der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer und der sagt in seiner direkten Art sofort seine Meinung: Eine Diktatur sei die EU, «dagegen war das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal». Ausserdem müsse sich die EU fragen, ob sie ein «Negerkonglomerat» sei, beherrscht von einer Bande von Lobbyisten.

Den Vergleich mit dem Nazi-Regime bestätigte Mölzer im Nachhinein, den Ausdruck «Negerkonglomerat» stritt er zuerst ab. Allerdings waren Journalisten der «Süddeutschen Zeitung» im Saal und hatten Mölzers Hasstirade auf Band aufgezeichnet. Das brachte nicht nur Mölzer, sondern auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in die Defensive. Mölzer war von seiner Partei immerhin auf den ersten Platz für die EU-Wahlen im Mai gereiht worden. Regierungsparteien und Grüne forderten den Kandidaten zum Rücktritt auf, der Schriftsteller Michael Köhlmeier kündigte eine Anzeige gegen Mölzer wegen Verhetzung an. Über 5000 Menschen schlossen sich dieser Initiative an. Selbst in Mölzers eigener Partei, der FPÖ, wurde Kritik laut.

Opfer einer «ultralinken Jagdgesellschaft»

Mölzer wehrte sich lange gegen die Rücktrittsaufforderungen. Auch eine Entschuldigung lehnte er ab. Sein unaufhaltsamer Abstieg begann Montagabend mit einem persönlichen Gespräch mit Parteichef Strache. Dienstagvormittag kündigte Mölzer an, er werde nicht als Spitzenkandidat der FPÖ antreten. Am Nachmittag stellte er klar, dass er sich «gänzlich von der FPÖ-Liste» zurückziehe. Als Eingeständnis eines Fehlers will er das nicht sehen. Mölzer sieht sich als Opfer einer «ultralinken Jagdgesellschaft» und beklagt den Vertrauensverlust in seiner eigenen Partei, obwohl er nichts Unrechtes getan habe.

Der 1952 im steirischen Leoben geborene Mölzer stand immer am rechten Rand der rechtspopulistischen FPÖ. Unter Jörg Haider wurde er Leiter des freiheitlichen Bildungswerks und Bundesrat, zog sich aber nach einem Streit mit Haider aus der Politik zurück und verlegte sich auf die Publizistik. Anfang der 1990er Jahre veröffentlichte er den schwulstig-pornographischen Roman «Der Graue», in dem der letzte Arier durch das verwüstete Deutschland wandert und sich dunkelhäutige Frauen mit Gewalt nimmt.

Zusammenarbeit mit Vater von NZZ-CEO

Von 1995 an leitete Mölzer die österreichische Ausgabe der deutschen «Jungen Freiheit», die vom deutschen Verfassungsschutz als «publizistisches Forum für Rechtsextremisten» bezeichnet wurde. Zwei Jahre später wurde daraus die bis heute bestehende Wochenzeitung «Zur Zeit». Co-Herausgeber gemeinsam mit Mölzer war bis 2009 der pensionierte Botschafter Johann Josef Dengler – der Vater des heutigen Chefs der NZZ-Gruppe, Veit Dengler. Als Dengler sen. 2011 starb, würdigte seine Burschenschaft besonders sein Eintreten gegen «moderne, weltoffene und tolerante» Tendenzen. Sein Sohn gründete 2012 in Österreich die Partei «Neos», die sich als weltoffen, modern und tolerant versteht.

Tagesanzeiger.ch/Newsnet wollte von Veit Dengler wissen, wie er die damaligen publizistischen Aktivitäten seines Vaters beurteile. Dengler antwortete, dass er sich grundsätzlich nicht zu seiner Familie und familiären Themen in den Medien äussere.

«Vorfeldorgan des Rechtsextremismus»

Die Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, das «Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands», bezeichnete «Zur Zeit» als «Vorfeldorgan des Rechtsextremismus». Immer wieder erscheinen in der Zeitung Artikel mit rassistischen Inhalten. So zum Beispiel über den populären österreichischen Fussballer David Alaba, über dessen dunkle Hautfarbe sich ein Autor mit dem Pseudonym F. X. Seltsam lustig machte. Das Dokumentationsarchiv behauptet, dass hinter dem Pseudonym Mölzer stecke, die Zeitung behauptet, es sei ein «Wanderpseudonym». Andreas Mölzer ist weiterhin Herausgeber von «Zur Zeit», sein Sohn Wendelin ist Chefredaktor.

Die Wiener Tageszeitung «Der Standard» fand heraus, dass fast alle Mitarbeiter Mölzers im EU-Parlament auch für «Zur Zeit» tätig sind. «Zur Zeit»-Autor Johann Gudenus, ein Abgeordneter der FPÖ in Wien, war auf Einladung Russlands Wahlbeobachter beim international nicht anerkannten Referendum auf der Krim. Danach lobt er es als «Legitim» und fair. In der aktuellen Ausgabe schreibt er über die «Propaganda gegen Russland»

Möglicherweise Kandidatur mit eigener Liste

Für die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP kommt Mölzers Rückzug zu spät. Mölzer habe «unserem Land schweren Schaden zugefügt», sagte der Geschäftsführer der SPÖ, Norbert Darabos. Das Problem sei nicht ein einzelner Kandidat, sondern die FPÖ, die sich mit der Abgrenzung zum NS-Regime und zu Rassismus schwer tue. ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger forderte die FPÖ auf, Sorge zu tragen, dass es keine Platz für Rassismus und Nationalismus gebe. Für beide Parteien kommt der Fall Mölzer allerdings auch zur rechten Zeit, um von Problemen der Regierung abzulenken.

Österreichische Journalisten spekulieren, dass Mölzer nun mit einer eigenen Liste bei den EU-Wahlen antreten könnte. Da der bekannte Korruptions-Aufdecker Hans Peter Martin dieses Mal nicht mehr antritt, suchen Österreichs EU-kritische Wähler eine neue Partei. Allerdings versucht schon ein anderer ehemaliger Weggefährte Haiders, diesen Platz zu besetzen: Der katholische Fundamentalist und ehemalige BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler (Spitzname: Haiders Dobermann) hat «Die Reformkonservativen» gegründet. Auch er will EU-skeptische und die EU ablehnende Bürger ansprechen.