Die Marketingmaschine Red Bull

16. Oktober 2012

Über eine Milliarde Euro steckt Getränkeproduzent Dietrich Mateschitz jedes Jahr in Marketingaktionen. Mit dem Projekt Stratos ist er nun in neue Werbewelten vorgedrungen.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Für den Getränkehersteller Dietrich Mateschitz muss der 14. Oktober ein ganz besonderer Festtag gewesen sein. Besser kann es für den Salzburger Mitbesitzer des Energydrinks Red Bull gar nicht mehr laufen. Erst fahren die Wagen des Bullen-Teams im Formel-1-Grand-Prix von Südkorea auf die Plätze 1 und 2. Und danach gelingt Felix Baumgartner in der Wüste von New Mexico nach fünf Jahren Vorbereitung der Sprung aus der Stratosphäre.

Dass Felix Baumgartner exakt um 20.15 Uhr mitteleuropäischer Zeit, also zur besten TV-Zeit, landet, könnte natürlich Zufall sein. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Denn wenn im gesamten Stratos-Projekt noch etwas genauer und mit mehr Sorgfalt als der Sprung selbst geplant wurde, dann war es die PRArbeit. Beim Marketing überlässt Mateschitz nichts dem Zufall. Alles wird von seinen Leuten kontrolliert, Journalismus findet nur «embedded» statt, unter ständiger Überwachung und mit stark eingeschränktem Aktionsradius.

Eingeschränkte Pressefreiheit

Weltweit sollen an die 200 TV-Stationen den Sprung Baumgartners live übertragen haben. Das Bildmaterial stammt allerdings ausschliesslich von den Kameras des Red-Bull-Teams. Vor Ort, in der Wüste von Roswell, seien die Journalisten zwar gut verpflegt, mit einem Rucksack und einer Mütze mit dem BullenLogo beschenkt worden, berichtete eine Reporterin in der «NZZ am Sonntag». Doch das Pressezentrum durften sie nicht verlassen, Blicke auf die Kapsel oder gar in die Kommandozentrale waren ihnen verboten.

In österreichischen oder deutschen Medien las man über diese Einschränkungen der Pressefreiheit freilich nichts. Dort taten die Journalistinnen und Journalisten so, als seien sie ständig auf Tuchfühlung mit Baumgartner und würden von ihm höchstpersönlich mit exklusiven News versorgt.

In gewisser Weise habe die PR-Abteilung von Red Bull alle Medien mit Lockstoffen in eine Falle geführt, meint der Medienpsychologe Peter Vitouch im Onlineportal «Futurezone.at»: «In Wahrheit konnte es sich gerade in Österreich kein Medium mehr leisten, nicht darüber zu berichten.» Man kann hinzufügen: Und kein Verlag kann sich einen Konflikt mit Mateschitz leisten. Denn alle hätten gerne ein paar Krümel des riesigen Werbekuchens, den der Salzburger Milliardär Jahr für Jahr verteilt.

Rund 4 Milliarden Euro betrug der Umsatz von Red Bull im vergangenen Jahr. Mateschitz selbst gab in einem Interview mit dem Magazin «NZZ Folio» die Kosten des Marketings mit 1,3 Milliarden an. Kein anderer Getränkekonzern gibt, gemessen am Umsatz, auch nur ansatzweise so viel für die Werbung aus. Vom Gesamtbudget, so Mateschitz, würden rund 300 Millionen in die klassische Werbung und 600 Millionen in Eventund Sportmarketing fliessen.

Die Marketingarena Formel 1

Schwächelt der Absatz der Getränkedosen (die auch in der Schweiz abgefüllt werden), wie etwa in den Jahren 2008 und 2009, pumpt Mateschitz eben noch mehr Geld in die Werbung. Und schon geht es wieder bergauf: 2010 stieg der Absatz um 15 Prozent, und die Red-BullGesellschaft konnte ihren Gewinn auf rekordverdächtige 312 Millionen Euro verdoppeln. Red Bull sei eigentlich kein Getränkehersteller, sondern eine Verkaufsmaschine, kommentierte das deutsche Wirtschaftsmagazin «brand eins».

Vom ursprünglichen Konzept der Förderung von Nischensportarten ist heute freilich nicht mehr viel übrig. Red Bull begann als Sponsor von Kitesurfern oder Basejumpern. Kein Rekordversuch war zu verrückt, um nicht mit dem Bullen beworben zu werben. Er durfte nur nicht massentauglich sein. Erst spät entdeckte Mateschitz das Potenzial der Massensportarten. Für Sentimentalitäten war in seinen Marketingkonzepten freilich nie Platz. Den beliebten Fussballclub Austria Salzburg liess er in Red Bull Salzburg umbenennen und die Vereinsfarbe Lila durch die Firmenfarben Rot und Gelb ersetzen. Den Ärger der Fans, die eine Zeit lang die Spiele boykottierten, nahm er gelassen hin.

Danach stieg er ins Mediengeschäft ein, kaufte ein Society-Magazin, gründete den Verlag Red Bulletin. Hochglanzmagazine stellen die «faszinierende Welt von Red Bull» dar, so wie sich Mateschitz das vorstellt: voll tollkühner Einzelgänger, die im Schweisse ihres Angesichts an die Grenzen des Machbaren gehen. Andere, seriöse journalistische Produkte schafften es allerdings nur bis zur Nullnummer. Weil sie dem Chef nicht gefielen, wurden sie über Nacht wieder fallen gelassen.

Auch die Formel 1 ist für Red Bull eine grosse Marketingarena. Um die Zuschauer mit aktuellen Nachrichten aus dem Rennstall zu versorgen, kaufte Mateschitz zwei Trucks und rüstete sie in einen Redaktionsraum und eine Druckerei um. Sein privater Fernsehsender Servus TV zeigt natürlich alle von Red Bull gesponserten Sportveranstaltungen live, mit vielen Hintergrundberichten und Sportlerporträts. Allerdings bringt Servus TV auch hoch professionelle politische Debatten und sogar mehr Kultur und Spielfilme als der öffentlich-rechtliche Sender ORF.

Die TV-Übertragung von Baumgartners Stratos-Sprung brach alle Rekorde. Allein das österreichische Fernsehen verzeichnete mit 2,3 Millionen Zuschauern einen Rekord. Auch Servus TV erzielte die beste Quote seiner Geschichte. Dazu kommen noch Millionen Klicks im Internet. Auch wenn dort nun zahlreiche satirische Fotomontagen und Kommentare zu Baumgartners Sprung auftauchen – den Werbeeffekt wird das nicht mindern.

«Ein Heldenepos transportiert»

Selbst wenn Red-Bull-Gründer Mateschitz tatsächlich 50 Millionen Euro in das Projekt Stratos gesteckt haben sollte, wird der langfristige Werbewert wohl darüber liegen. Aus wissenschaftlicher Sicht sei der Sprung eher unbedeutend gewesen, sagte der Experimentalphysiker Werner Gruber im österreichischen Radio: Mit neuen Daten oder Erkenntnissen sei nicht zu rechnen. «Aber zum Medienspektakel muss man sagen: Wow, das war schon sehr beeindruckend. Der Herr Mateschitz weiss, was er mit seinem Geld tut.»

Die Kritik, er habe sich zum Instrument einer PR-Abteilung machen lassen, weist der ORF zurück: Es habe einen Vertrag mit dem Veranstalter gegeben, und Werbung sei nicht mehr als bei anderen Sportübertragungen vorgekommen. «Da ist ein ganz grosses Heldenepos transportiert worden», sagt ORF-Pressesprecher Markus Wibmer, «und der Erfolg gibt uns recht.»