Tagesanzeiger

Dorf der Frankenopfer

10. Mai 2013

In der Nähe von Budapest entsteht auf der grünen Wiese eine Siedlung für Familien, die ihre Fremdwährungskredite – insbesondere in Franken – nicht zurückzahlen können.

Die Sonne brennt auf die ungarische Tiefebene, und der trockene Wind weht feinen Staub über die Felder. Zwei Wachleute einer privaten Security-Firma sitzen vor einem Container. Als sich ein Auto nähert, spannen sie ein Plastikband über die Strasse. Neben dem Band sind ein Stoppschild und eine Verbotstafel aufgestellt: Durchfahrt verboten. Durchgang verboten. «Machen Sie sich nichts daraus», sagt ein Wachtmann, «hier gibt es ohnehin nichts zu sehen.»
Zutritt verboten: Die neue Siedlung für überschuldete Familien wird gut bewacht. Foto: B. Odehnal

«Pöbeln Sie mich jetzt an?»

8. Mai 2013

Nationalistenführer Wolen Siderow sieht Bulgarien von ausländischen Konzernen und der Türkei bedroht.

Mit Wolen Siderow sprach Bernhard Odehnal in Sofia
 
Sie haben die letzten Jahre die Regierung von Bojko Borisow still unterstützt. Wollen Sie diese Politik nach den Wahlen fortsetzen?

Nein. Bulgarien ist zurzeit in den Händen ausländischer Konzerne. Es ist zur Kolonie geworden in den Bereichen Energie, Rohstoffe, Tankstellen, Dienstleistungen, Goldgewinnung, Einzelhandel. Das darf so nicht weitergehen. Bojko Borisows Partei hat die schlechten Verträge mit internationalen Konzernen nicht aufgelöst. Damit hat sie ihre Chance verspielt.


Wahlplakate für Wolen Siderow und die Partei «Ataka» in Sofia. Foto: B. Odehnal 

Schützenhilfe von Syngenta

3. Mai 2013

Die Österreichische Volkspartei will das Verbot von Pestiziden in der EU verhindern. Dabei hilft ihr ein Vertreter des Schweizer Produzenten.

Freunde hat Nikolaus Berlakovich in der Politik nicht mehr viele. Die Opposition fordert den Rücktritt des österreichischen Umwelt- und Landwirtschaftsministers (der sich offiziell «Lebensminister» nennen darf ), der sozialdemokratische Koalitionspartner spricht von einem «Skandal». Für die Grünen ist Berlakovich ein «Industrielobbyist».

Grund für den Ärger sind die Bienen. Am Montag stimmten Vertreter der EULänder über ein Verbot dreier Pflanzenschutzmittel, sogenannter Neonikotinoide, deren Einsatz für das Bienensterben verantwortlich gemacht wird. Hergestellt werden die Mittel vom deutschen Konzern Bayer und der Schweizer Syngenta. In Brüssel waren 15 Länder für das Verbot und 8 dagegen. Unter Letzteren ist Österreich.

Orbán hat das Problem des Antisemitismus erkannt

3. Mai 2013

Ab Sonntag tagt der Jüdische Weltkongress in Budapest. Ein Fall von antisemitischer Gewalt hat die ungarische Regierung jetzt unter Zugzwang gesetzt.

Ein Fussballmatch in Budapest. Es spielt der Traditionsverein Ferencvaros, dessen Fans für ihre rechtsextreme, antisemitische Haltung berüchtigt sind. Auch an diesem Sonntag grölen einige im Ferenc-Puskas-Stadion «Sieg Heil». Als der Matchbesucher Ferenc Orosz die Fans neben ihm auffordert, solche Rufe zu unterlassen, beschimpfen sie ihn als «jüdischen Kommunisten». Nach dem Spiel schlagen ihm zwei Hooligans mit den Worten «So sieht ‹Sieg Heil› aus» ins Gesicht. Er wird mit einem Nasenbeinbruch ins Spital gebracht.

Der Innenminister hört mit

27. April 2013

Bulgarien wird kurz vor den Wahlen von einem Abhörskandal erschüttert. Der Innenminister soll jahrelang sämtliche Regierungskollegen und den Staatspräsidenten bespitzelt haben – mit von der EU finanzierten Geräten.

Erst brachte er zur Sicherheit seine Familie ins Ausland. Dann setzte sich Bulgariens ehemaliger Landwirtschaftsminister Miroslaw Najdenow ins TV-Studio und legte einen Skandal offen, der das Land noch lange beschäftigen wird. Zeitungen schrieben danach von einer «Bombe» und vom «bulgarischen Watergate». In Bulgarien ist noch niemand aus der Regierung zurückgetreten, allerdings sind die Enthüllungen erst zwei Tage alt: Sein Parteikollege, Innenminister Tswetan Tswetanow, habe in den vergangenen Jahren nicht nur ihn, sondern alle Minister, wichtige Unternehmer und den Staatspräsidenten abhören lassen, sagte Najdenow im Fernsehen.


«Für ein würdiges Leben»: Protestcamp gegen Korruption und Preiserhöhungen in Sofia. Foto: B. Odehnal

Das letzte Gefecht des roten Wiens

30. April 2013

Der Mai-Aufmarsch der Wiener Sozialdemokraten ist ein lebendes Museum der Arbeiterbewegung.

«Und nun sehen wir vor unserer Tribüne die Delegation aus dem Bezirk Simmering. Sie haben den weiten Weg auf sich genommen, um hier die Errungenschaften des roten Wien zu feiern und soziale Gerechtigkeit zu fordern. Wir begrüssen die Simmeringer Genossen mit einem herzlichen: ‹Freundschaft!›» So ähnlich wird es morgen wieder aus den Lautsprechern vor dem Wiener Rathaus und auf der Ringstrasse klingen. Wiens Sozialdemokraten feiern den Tag der Arbeit so, wie sie es seit 123 Jahren tun: mit einem Sternmarsch, der die SPÖOrganisationen aller 23 Stadtbezirke auf die Ringstrasse und vor die Prominententribüne beim Wiener Rathaus führt.

Ungarn ehrt den Schweizer Carl Lutz

23. April 2013

Mit einem Gedenkmarsch ist in Budapest an die Holocaustopfer und an den Schweizer Vizekonsul erinnert worden, der im Zweiten Weltkrieg viele Juden gerettet hatte. Neonazis störten den Anlass.

Der Anlass in Budapest beginnt mit einer Provokation. Während sich Zehntausende an diesem sonnigen Sonntagnachmittag unterhalb der Margaretenbrücke versammeln für den jährlichen Gedenkmarsch an die Holocaustopfer, hängen Neonazis ein Transparent über das Brückengeländer, das Israel auffordert, die Finger von Ungarn zu lassen. Es dauert nur zwei Minuten, bis beherzte Zuschauer den Neonazis das Transparent entreissen. Bis die ungarische Polizei zur Stelle ist, dauert es allerdings entschieden länger.


Agnes Hirschi auf dem Marsch der Lebenden in Budapest. Foto: B. Odehnal

Letzte Grenzen der Reisefreiheit

18. April 2013

Österreichs Taxiunternehmer verlangen von der Schweiz Rechte, die sie im eigenen Land nicht bekommen.

Nein, Bundesrätin Doris Leuthard wird vermutlich kein Taxi nehmen müssen, wenn sie heute vom Wiener Flughafen zum Amtsbüro ihrer österreichischen Ressortkollegin Doris Bures fährt. Der Streit um Taxis wird jedoch ein wichtiger Punkt ihrer Gespräche in Wien sein. Und ein ungewöhnlicher dazu: Ein Konflikt zwischen der Schweiz und Österreich ist im Verkehrsressort eine Seltenheit. Aber Kompromissbereitschaft gehört halt diesund jenseits des Rheins nicht zu den primären Eigenschaften von Taxiunternehmern. Die Fronten sind dermassen verhärtet, dass auch die Politik sich schwertun wird, eine Lösung zu finden.

Wohltäter in eigener Sache

13. April 2013

Österreichs bestbezahlter Banker gibt einen Teil seiner Jahresgage zurück.

Zu Beginn dieser Woche fanden die Mitarbeiter der Österreichischen Raiffeisen Bank International auf ihren Computern ein Mail des Vorstandsvorsitzenden. Herbert Stepic kündigte eine Gehaltskürzung an, freilich nicht für die Belegschaft, sondern für sich selbst. Er verzichte auf 2 Millionen Euro, schrieb der Manager. Der 66-Jährige bezeichnete den unorthodoxen Schritt als «Akt der Solidarität» mit dem Unternehmen.

Namen sind für ihn bloss All und Rauch

11. April 2013

Der Weltraumspringer Felix Baumgartner verwechselt Rockstars - und begründet damit einen neuen Trend.

Man muss ihn nicht unbedingt mögen. Man kann einfach nur beeindruckt sein. Seit Felix Baumgartner, der coole Salzburger mit Wohnsitz in der Schweiz, im Auftrag eines Getränkeproduzenten im freien Fall vom Himmel stürzte, liegt ihm die Welt zu Füssen. Heute Rio, morgen New York, ein Abendessen mit Tom Cruise, dann zurück ins traute Heim am Bodensee («Check that out! I’m back in Switzerland!»). Das ist Jetset pur. Und das Schönste dabei: Baumgartners Fans können fast live dabei sein. Via Facebook lässt der Stratosphärenspringer alle, die es wollen, an seinen Abenteuern in der High Society teilhaben.

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