Tagesanzeiger

Der Mann mit der goldenen Hand

10. Oktober 2011

Österreichs Ex-Finanzminister brachte 500 000 Euro aus der Schweiz bar über die Grenze.

Von Bernhard Odehnal, Wien

«Wie bitte, schon wieder Karl-Heinz Grasser?» Der strenge Redaktor ist genervt: «Hat der seit Jahresbeginn nicht schon geschätzte fünf kleine Geschichten bekommen?» Das schon, muss der Autor zugeben. Aber Grasser ist halt in so ziemlich jeden Skandal verstrickt, der Österreich erschüttert. Und langweilig waren die Geschichten doch nie? Die abgehörten Telefongespräche, in denen Grassers Freunde fragten, wie sie vor der Polizei den Erhalt von Millionen Euro rechtfertigen sollten: «Wo war mei Leistung?» Oder die TV-Diskussion, in der Grasser voll Stolz den Brief einer Verehrerin zitierte: «Herr Minister, Sie sind zu schön, Sie sind zu erfolgreich für diese Welt.» Oder auch «Schon gut», brummt der Redaktor: «Also, um was geht es dieses Mal?»

Swiss Connection

23. Februar 2012

Eine mysteriöse Firma, eine Schwiegermutter, stumme Treuhänder. Österreich steht im Bann einer riesigen Korruptionsaffäre. Im Zentrum: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seine Verbindung in die Schweiz.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Am 6. Dezember 2011 hält die Zürcher Firma Ferint bei einem Notar in Rorschach ihre Generalversammlung ab. Gut besucht ist sie nicht. Ausser dem Notar ist nur Verwaltungsrat Urs S. anwesend. Innert kurzer Zeit wird die Tagesordnung abgehakt, obwohl es um wichtige Veränderungen geht: Die Firma erhält einen neuen Namen, einen neuen Sitz und einen neuen Zweck. Ein ganz normaler Vorgang? An sich schon. Aber in diesem Fall verschwand ein Firmenname aus den Schweizer Registern, der in Österreichs Medien täglich in Verbindung mit der mutmasslich grössten Korruptionsaffäre der Zweiten Republik genannt wird.

Chris soll nicht aufs Abstellgleis

3. März 2011

Österreichs Bahnfahrer kämpfen für ihre Ansagerin – und gegen den Computer.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Wer im Zürcher Hauptbahnhof in einen Zug nach Innsbruck, Salzburg oder Wien steigt, kann die Stimme nicht überhören. «Sehr geehrte Fahrgäste! Im Namen der ÖBB begrüssen wir Sie im Railjet», ertönt sie aus den Lautsprechern, nach jeder Station: «Der Railjet verfügt über drei Klassen, in denen Sie individuell betreut werden, sowie über ein Railjet-Bistro in der Mitte des Zuges. 80 Bildschirme informieren Sie über Halte und Ankunftszeiten.» Nun kann man über die «individuelle Betreuung» im österreichischen Premiumzug geteilter Meinung sein – die ungeliebten Bistros werden bald zu Speisewagen umgebaut, und die «80 Bildschirme» sind in Wahrheit 58.

Das Gesicht der Korruption

18. Februar 2012

Der Lobbyist Peter Hochegger steht im Zentrum der österreichischen Schmiergeldskandale. Jetzt hat er vor dem Parlament sein Netzwerk offengelegt.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Dafür, dass Peter Hochegger im Zentrum des grössten Korruptionsskandals in der jüngeren Geschichte Österreichs steht, wirkt er erstaunlich unaufgeregt. Geduldig sitzt er vier Stunden vor dem Untersuchungsausschuss des Wiener Parlaments und beantwortet die Fragen der Abgeordneten: Welche Politiker hat er für sich arbeiten lassen? Wie wurde er bezahlt? Wo floss das Geld hin? In den vier Stunden seiner Zeugenaussage entsteht ein düsteres Bild der politischen Kultur in Österreich, in der so ziemlich alle Parteien (mit Ausnahme der Grünen) käuflich waren.

Kein Zug für Eis und Schnee

27. Dezember 2010

Der österreichische Railjet erweist sich als nicht besonders winterfest.

Von Bernhard Odehnal, Wien

«Österreich machts besser», jubelte unlängst die Boulevardzeitung «Österreich» und meinte die Bewältigung des Schneechaos. Besonderes Lob bekamen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), deren neuer Chef Christian Kern in der Zeitung auch den Grund für die «sensationelle Pünktlichkeit» erklären darf: Die Vorbereitungen auf den Winter hätten bei den ÖBB voll gegriffen, «trotz der extremen Wetterbedingungen haben wir uns als Bahn gut geschlagen». Nun soll der Zeitung keineswegs unterstellt werden, ihre Jubelmeldung habe etwas mit dem ganzseitigen Inserat der ÖBB in derselben Ausgabe zu tun. Es ist nur so, dass viele Bahnreisende den Jubel schwer nachvollziehen können.

Neuer Auftrag für Stadler Rail in Österreich

13. November 2010

Der Thurgauer Bahnbauer entwickelt Schmalspurzüge für die Mariazellerbahn.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Die österreichische Gebirgsbahn in den Wallfahrtsort Mariazell wird neue Züge von Stadler Rail bekommen. Am Freitag gab der Verkehrsminister des Bundeslandes Niederösterreich bekannt, dass die Thurgauer bis 2013 neun dreiteilige, elektrische Triebzüge im Wert von rund 60 Millionen Euro liefern werden. Stadler Rail wollte zum neuen Auftrag nicht Stellung nehmen. Auch der Besteller mit dem sperrigen Namen Niederösterreichische Verkehrsorganisationsgesellschaft verweist auf ein Stillhalteabkommen bis 24. November. Bis zu diesem Zeitpunkt könnte der unterlegene Bieter, die Firma Bombardier, Einspruch gegen die Vergabe erheben.

Als Bahnfahren noch chic war

12. Juni 2010

Die Österreichischen Bundesbahnen stellen ihren Paradezug Transalpin aufs Abstellgleis.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Um 16.40 Uhr (vielleicht auch etwas später) werden die Lautsprecher auf dem Wiener Westbahnhof heute zum letzten Mal verkünden: «ÖBB Eurocity 163 Transalpin aus Zürich fährt ein». Der Zug bleibt - aber der Name verschwindet. Statt des Transalpin fährt ab Sonntag der namenlose RJ 163: Der rot-graue Railjet, der von den Österreichischen Bundesbahnen als das beste und modernste Luxusprodukt auf Europas Schienen beworben wird.

Schweizer Kritik am österreichischen Superzug

29. Januar 2010

Passagiere lassen wegen Verspätungen und zahlreichen Mängeln kein gutes Haar am vielgepriesenen Railjet.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Mit Superlativen wurde bei der Präsentation in Zürich nicht gespart. Die Personenverkehrs-Chefin der Österreichischen Bundesbahnen, Gabriele Lutter, war im vergangenen Novemberextra in die Schweiz gekommen, um auf einer Pressefahrt rund um den Zürichsee den neuen Superzug der ÖBB vorzustellen. Der bis zu 230 km/h schnelle Railjet werde «neue Massstäbe im Fernverkehr» setzen, versprach Lutter. Mit der Einführung einer «Premium Class» neben zweiter und erster Klasse wolle man Business-Reisende aus der Luft auf die Schiene holen. Neben «höchstem Komfort» werde auch schnelleres Reisen geboten: Der Railjet verkürze die Fahrzeit auf der Strecke Zürich-Wien um 44 Minuten auf genau 8 Stunden.

Sand im Getriebe der privaten Bahnbetreiber

30. Juni 2012

Der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel berichtete in Wien von seinen Erfahrungen mit der österreichischen Westbahn. Dabei zeigte sich, dass private Anbieter trotz der Liberalisierung im europäischen Personenverkehr einen schweren Stand haben.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Leo Express

Eine Privatbahn als Goldesel? Benedikt Weibel räumt gleich mit dem Mythos des «Rosinenpickens» auf: Selbst auf gut ausgebauten Bahnstrecken mit hohem Fahrgastpotenzial sei das Geschäft nicht einfach, «wir sind in einem beinharten Kampf um den Break-even». Der ehemalige Chef der SBB ist Verwaltungsratspräsident der privaten österreichischen Gesellschaft Westbahn, die seit Dezember 2011 mit sieben Triebzügen des Schweizer Bahnbauers Stadler im Stundentakt zwischen Wien, Linz und Salzburg verkehrt und damit als erster privater Bahnbetreiber dem staatlichen Platzhirsch ÖBB im Personenverkehr Konkurrenz macht.

Aggressiver Traum von Grossungarn

29. Juni 2012

Wer die heilige Krone beleidigt, soll ins Gefängnis.

«Die Ungarn suchen ihre Zukunft in einer obskuren Mythologie» - so wurde vor einiger Zeit im TA der Rummel um die mittelalterliche Krone des heiligen Stephan (Szent Istvan) beschrieben. Ein harmloser Satz in einer launigen Kolumne - der in Ungarn aber demnächst den Autor ins Gefängnis bringen könnte. Denn das ungarische Parlament hat eine Verschärfung der Strafgesetze ab 1. Juli 2013 beschlossen, darunter Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr für die Beleidigung der Fahne, des Wappens, der Hymne und der heiligen Krone. 

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